Träume sind Schäume

Regisseur Philipp Preuss inszeniert „Peer Gynt“ am Schauspiel Leipzig als eine Tour durch gewalttätige Exzesse und entsetzende Träume – ein Text der „Jungen Kritiker“

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Szene aus Philipp Preuss‘ „Peer Gynt“-Inszenierung. (Foto: Rolf Arnold)

Die Klanguntermalung von Kornelius Heidebrecht (die nichts mit der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg zu tun hat) lullt den Zuschauer gleichermaßen ein, wie sie ihn beängstigt, und nach einem zweieinhalbstündigen Rausch aus immer verworreneren Szenen auf einer von glitzerndem Schaum bedeckten Bühne (Ramallah Aubrecht) weiß man tatsächlich nicht mehr, wo nun der Traum endet und die Realität beginnt.

Dabei beginnt Philipp Preuss‘ „Peer Gynt“-Inszenierung am Schauspiel Leipzig ganz real, mit einer Aufhebung der vierten Wand. Peer, der mit zunehmend irrem Blick versucht, seinen „großen Anfangsmonolog“ vorzutragen, wird von seiner Mutter Ase (liebenswürdig gespielt von Dieter Jaßlauk) gestört, die er wiederholt in die Kantine schicken muss. Das bringt den Schauspielern ein paar Lacher ein, wie es auch an weiteren Stellen des Abends noch geschehen soll. Ase ist und bleibt aber auch der einzige Ruhepunkt in Peer Gynts Leben und damit in dem Stück, in dem er wie ein gehetztes Tier von einer Ekstase in den nächsten Exzess jagt. Vor allem zu Beginn taumelt Peer auch von einer sexuellen Eskapade in die nächste, die alle gemein haben, dass ihre Darstellung auf der Bühne jeglicher Schönheit entbehrt. Später dann flüchtet er sich in Drogenkonsum und Machtfantasien, und die Szenen werden zunehmend gewalttätiger.

Wie aber soll Peer auch zur Ruhe kommen, wenn seine Persönlichkeit zerrissen ist in sieben Darsteller (Timo Fakhravar, Dieter Jaßlauk, Andreas Keller, Markus Lerch, Denis Petković, Felix Axel Preißler, Florian Steffens), die mal eins scheinen und mal weiter entfernt voneinander nicht sein könnten, die im einen Moment verschiedene Figuren spielen und dann wieder als Peer Gynt einen inneren Kampf austragen? Dabei hat die Inszenierung auch ihre Längen, die allerdings meistens durch faszinierende, live übertragene Videoprojektionen ausgeglichen oder durch einen großen Knall beendet werden. Auch die traumhaften und verworrenen Szenen ergeben am Ende irgendwo einen Sinn. Einzig ratlos zurück lässt einen die „Revolutions-Szene“, die nicht nur die Frage offen lässt, welche Revolution hier eigentlich gerade geschehen ist, sondern auch, wieso die Schauspieler sich in Gorillakostümen gegenseitig verprügeln. An diesem Abend drückte wohl ein skeptisches „Hm“ aus den Reihen des Publikums die allgemeinen Gefühle aus, die diese Szene zurückließ.

Der Abend endet wieder so, wie er begonnen hat, mit Peers Mutter Ase, deren Tod er im Augenblick seines eigenen noch einmal durchlebt. Dieter Jaßlauk spielt nun Peer Gynt, und so werden die beiden Szenen gekonnt miteinander verbunden. Das letzte Bild ist also Peer, die Zwiebel ohne Kern, umgeben von seinen anderen Persönlichkeiten wie von seinen Schalen, inmitten eines Meeres von Schaum, was wie eine himmlische Szene erscheint. So lässt der Abend erschreckt, verstört, ermüdet, aber auch fasziniert und berührt zurück.

Peer Gynt

Regie: Philipp Preuss

Bühne & Kostüme: Ramallah Aubrecht

Musik: Kornelius Heidebrecht

Video: Konny Keller

Dramaturgie: Christin Ihle

Mit: Timo Fakhravar, Kornelius Heidebrecht, Dieter Jaßlauk, Andreas Keller, Hiltrud Kuhlmann (Sängerin), Markus Lerch, Fanny Lustaud (Sängerin), Amanda Martikainen (Sängerin), Joanne D’Mello (Sängerin), Denis Petković, Felix Axel Preißler, Florian Steffens

Schauspiel Leipzig, Große Bühne, Premiere: 28. Januar 2017, weitere Aufführung am 28. Dezember 2017, 13. Januar, 23. Februar und 14. März 2018

Trailer auf Vimeo

Dieser Text entstand im theaterpädagogischen Projekt „Junge Kritiker“ des Schauspiels Leipzig und der Jugendpresse Sachsen e.V. Mehr dazu hier.


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