Festival „String of Fire” mit Modern String Quartet (Wolfgang Gersthofer)

23. Februar 2001, Mendelssohnsaal des GewandhausesModern String QuartetVerordnete Lockerheit
Crossover-Auftakt mit dem Modern String Quartet

Nun hat das Gewandhaus auch sein Crossover-Event: „Strings of Fire“ hieß das Zauberwort, unter dem sich ein Wochenende lang Größen des Crossover-Business an der Pleiße die Klinke in die Hand gaben.

Es begann am Freitagabend mit deutlichem Rauschen aus den großen Lautsprechern auf beiden Seiten des Podiums (das man zehn Minuten nach Beginn der musikalischen Darbietung in den Griff bekam). Nein, eigentlich begann es schon zuvor mit einer Peinlichkeit, nämlich mit einem Moderator, der dem Publikum die nötige Crossover-Lockerheit einimpfen zu müssen glaubte. Da seh´ ich noch einige freie Sitze … Wenn noch ein paar später kommen, das stört doch niemanden oder? Iss doch nich Klassik! Sodann stellte er Modefee Tina vor, die in der Pause – im durch ein heimeliges Crossover-Buffet verschönerten Klinger-Foyer – inspiriert von Musik ganz spontan schicke Kleider kreieren würde. (Wirklich schlimm allerdings waren die dezenten Hinweise nach beendigtem Quartett-Programm, was zu tun sei, um eine Zugabe zu erwirken!!)

Nach dem moderat(orisch)en Vorgeplänkel schlüpften sie sportiv aufs Podium, die Herren des Modern String Quartet, die Geiger ganz in weiß, die tieferen Streicher mit einem Rest von seriöser Konzertkleidung, den dunklen Hosen unter den weißen Kitteln. Und sie legten gleich schwungvoll-motorisch los, (steh-)geigten sich in inszenierten Posen gegenseitig zu. Klar, ein bissl Show muß schon dabei sein, beim Crossover. Einige Musiknummern später wurde auch die Gewandhaustechnik mit einbezogen. Die Podiumsscheinwerfer des Mendelssohnsaales verwandelten sich in rote Lichtorgeln, die in rhythmischen Abständen für eine stimmungsvolle Beleuchtung der Quartettisten sorgten. Und die string players wippten mit jedem Lichtstoß dynamisch zur Seite.

Doch kommen wir zum Eigentlichen. Daß die vier ihr musikalischen Handwerk in hohem Grade verstehen, ist nicht zu bestreiten. Die frei – aus dem Kopf – gespielten Nummern (die den Löwenanteil ausmachten) waren in einem relativ einheitlichen Stil gehalten – irgendwo zwischen den Welten -, etwas jazzig angehaucht, immer wieder virtuose Motorik exponierend.

Beeindruckend durchaus, wie der mitunter verwegen zupfende Cellist das Gerüst des Satzes – in bester Jazzbaßmanier – abgab. In die Abfolge mischten sich (zwei) kompetent dargebrachte Avantgarde-Stückeln. Schade freilich, daß man das Publikum über die gespielten „E-Werke“ im Unklaren ließ. Aber beim Crossover ist es vielleicht nicht so wichtig, wer was komponiert hat (Daß das zweite der nach Noten musizierten Stücke von Phil Glass herrührte, war von der ersten Zuschauerreihe aus mit einem kessen Blick auf die Pulte auszumachen; von Glass allerdings hatten die das Programm umschreibenden Ankündigungszeilen gar nicht gesprochen). Und ebenso schade eigentlich, daß die Musiker mit – immer irgendwie verfälschender – Verstärkung spielten, doch nimmt Rezensent die „Lehr davon, im Crossover wohl müß“ es so sein.

Das Programm stand unter dem Motto „The American Country – zwischen Pop und Avantgarde“. Von Elvis meets Steve Reich, wie es die Crossover-Strategen in der Ankündigung – ein wirkliches Programmheft scheint bei solcherlei Veranstaltungen nicht üblich – suggeriert hatten, war indes wenig zu verspüren. Oder aber es war dies so subtil verpackt, daß es den wenig Crossover-Geschulten, zu denen Rezensent sich zählen muß, glatt entschlüpfte.

Gegen Ende brodelten die (wiederum rotangestrahlten) fire players nochmal so richtig ab, als sich über wilden Ostinato-Begleitmustern ein rhapsodisches Violinsolo entfaltete. Sehr hübsch dann auch die – unter bläulich fluoreszierendem (Disco-)Licht angestimmte – Abschiedsnummer, in der das Nicht-Aufhörenwollen tüchtig ausgereizt wurde, wenn aus „musikalischen Wartestellungen“ heraus sich plötzlich nochmal etwas Neues auftat (eine Klopforgie auf dem Cellokörper etwa); ein durchaus witziges Spiel in Musik, fast von haydnscher Qualität. So war die letzte Viertelstunde (des knapp anderthalbstündigen Programms) nicht von schlechten Eltern.

Und dennoch: Rezensent gesteht freimütig, daß ihm entweder ein (lautsprecherloser) moderner Streichquartettabend – sagen wir mit Werken von Ligeti, Scelsi und Rihm – oder eine kühle Molle in einem Jazzkeller lieber gewesen wäre.

(Wolfgang Gersthofer)

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