VI. Akademisches Konzert (Wolfgang Gersthofer)

28. Mai 2001

VI. Akademisches Konzert, Gewandhaus, Großer Saal
Akademisches Orchester ? Dirigent: Horst Förster

Goeges Bizet (1838?1875): L?Arlesienne-suite Nr. 2
Rodion Stschedrin (*1932): Carmen-Suite (Ausschnitt)
Stephan König (*1963): Boundless Music ? Konzert für Jazz-Trio und Orchester (UA)

Klavier: Stephan König Baß: Stephan ?Grete? Weiser Schlagzeug: Wolfram Dix

Nikolai Rimski-Korsakoff (1844?1908): Capriccio espagnol op. 34

Swingende Akademiker

Saisonausklang des Akademischen Orchesters mit einer Uraufführung

Horst Förster hatte zum Saisonschluß ein sommerlich-luftiges Programm zusammengestellt. Ins sonnendurchglühte Südfrankreich führte uns das erste Stück: Bizets 2. Arlesienne-Suite. Und das Akademische Orchester fühlte sich in diesem Ambiente sichtlich wohl. Mit vollem Ton betrat es die südliche Szene. Großartig geriet dann der zweite Satz: Vom Unisono-Beginn über die intensiv-beschwörende Streicherphase vor dem Unisono der Satzmitte, über das schön aufschwellenden Zittern gegen Satzende bis zum herausgemeißelten Schlußblock. Im dritten Satz wußte das Flötensolo über dem ?Harfenteppich? für sich einzunehmen.
Bis zur Pause blieb man bei Bizet, freilich nun in moderner russischer ? weiß Gott nicht minder temperamentvoller ? Einkleidung. Rodion Stschedrins 1967 in Moskau uraufgeführte Ballettkomposition über ?Carmen?-Themen für Streicher und reichhaltiges Schlagwerk wartet mit manch augenzwinkernd-witzigem Effekt auf, wenn etwa im dem Torerolied gewidmeten Abschnitt ein großer Aufschwung im Piano-Plumplum verpufft (später dann wird doch noch die Monumentalversion des berühmten ?Schwiegermutter?-Marsches nachgeliefert) oder wenn zwei Schlagzeuger am Xylophon sich um das rasante Eröffnungsthema der Oper bemühen (wobei sie dreimal von dunklen Streicherphrasen unterbrochen werden).

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Nach der Pause dann die mit Spannung erwartete, gut ins Programm sich einfügende Uraufführung. Wieder einmal hatte ein renommierter Leipziger Komponist ? wie vor einiger Zeit Karl Ottomar Treibmann mit seinen ?Klangwanderungen? ? eigens für den großteils aus Studenten bestehenden Klangkörper ein Werk geschaffen. ?Boundless Music? nennt Stephan König, der aus Leipzigs Jazzszene nicht mehr Wegzudenkende, sein Konzert für die klassische Jazztrio-Besetzung und Sinfonieorchester, mit dem er sich gewissermaßen locker in eine Tradition des ? nunmehr ? vorigen Jahrhunderts, nämlich E-Musik-und Jazz-Elemente miteinander zu verbinden (Strawinsky, Bartok, um nur die allerprominentesten Namen zu nennen), reiht. Große Kadenzen der drei Jazz-Solisten gliedern das mehrteilige Werk. Natürlich saß der Leip(jaz)ziger selbst am Klavier.

Alles beginnt mit einem tiefen Ton der Kontrabässe; die orchestrale Szene belebt sich immer mehr. Es entwickelt sich eine Art Klavierkonzert mit Jazz-Schlagzeug-Beteiligung, die Streicher setzen motorische Akzente. In der zweiten Abteilung ? die nach dem großen E-Baß-Solo anhebt ? entfaltete der Compositeur bald einen so richtig fetzigen Barpianisten-Sound. Dazu mischten sich dann leichtflockige Streicher-Aktivitäten. Förster und seine Truppe swingten spielfreudig mit. Schließlich treten kurze Trompeten-Figuren in bester Bigband-Manier hinzu. Das alles machte Laune! Aus einer typischen Jazz-Schlußharmonie des Blechs löste sich das große Schlagzeug-Solo, welches zum langsamen Satz vermittelte. Dieser bringt eine etwas elegische, sich in weitgespannten Streicherlinien auslebende Tönung in unser Werk (vielleicht mag man ein bißchen an großes Kino denken). Immer voller wird der Klang, der Satz steigert sich zu fast hymnischem Strömen. Wo er dann einfach abbricht, breitet sich die große Klavierkadenz aus. Und wenn diese dann unvermittelt eine schnellere Gangart anschlägt, entwickelt sich aus der Motorik-Vorgabe des Klaviers der schmissige, im Grunde ganz in der alten Tradition des ?Rausschmeißer?-Finales stehende Schlußsatz. Die Streicher verhalten sich rhythmisch aktiv, das Holz melodisch, und das Blech darf sich wieder bigbandmäßig betätigen. Plötzlich aber gibt sich König betont seriös, wenn er ein handfestes Streicher-Fugato ?vom Zaun bricht?. Ob sich das so recht organisch in das gesamte Werk einfügt, durfte der aufmerksame Hörer sich wohl fragen. Nun gut, vielleicht war es dem Komponisten ein Bedürfnis zu zeigen, daß er sich auch auf sein kontrapunktisches Handwerk versteht. Rezensent wird indes das Gefühl nicht los, daß das Orchester mit dieser Passage so ganz glücklich nicht war. Dann aber gibt die Dreimann-Jazz-Combo wieder den Ton an. In wildem Wirbel endigt sich diese genreüberschreitende ?schrankenlose? Musik. Im Gewandhaus brach verdienter Jubel für alle Beteiligten los.

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Zum Ausklang des Konzerts wurde man noch einmal tief in den Süden entführt. Und wieder war es ein Russe, der ? sehnsüchtig? ? in Carmens Heimatland blickte. Mit Rimski-Korsakoffs berühmten ?Capriccio espagnol? hatte man sich an ein schwieriges Stück Orchesterliteratur gewagt, das man gut bewältigte (wenn auch vielleicht jene letzte Souveränität und Lockerheit noch nicht durchgehend erreicht wurde, die es erlaubte, Rimskis überschäumende Orchestervirtuosität unbeschwert auszukosten). Das anspruchsvolle Violinsolo lag bei MDR-Geiger Thomas Fleck in den besten Händen. Von den orchestereigenen Bläsersolisten seien ? ohne daß wir hier den vorzüglichen vom Gewandhaus ?ausgeliehenen? 1. Hornisten (2. Satz!) übergehen wollen ? Flöte und Klarinette hervorgehoben.

Alles in Allem: Ein richtiges Gute-Laune-Konzert!

(Wolfgang Gersthofer)

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