Johann Friedrich Agricola: „Il filosofo convinto in amore” (Susanne Krostewitz)

17. Juni 2001

Kursaal Bad Lauchstädt im Rahmen der Händel-Festspiele

Johann Friedrich Agricola „Il filosofo convinto in amore“

Liebe zwischen Platon und Heirat …

Johann Friedrich Agricola ist Sängern und Musikwissenschaftlern zumeist nur durch seine Übersetzung der Anleitung zur Singkunst von Pier Francesco Tosi bekannt. Dieses dankenswerte Buch stellt ein wichtiges Mittel zur Kenntnis der frühen Bel-Canto-Technik dar. Indem man sich an das mit zusätzlich erklärenden Hinweisen versehene Werk wendet, läßt sich das schwer verständliche italienische Original meiden. Aber als Opernkomponist ist Agaricola kaum noch im Bewußtsein.

Die Batzdorfer Hofkapelle ist ein beachtenswertes Barockorchester in Kleinstbesetzung, entstanden aus einigen persönlichen und örtlichen Verbindungen, wie sie in der Alten-Musik-Szene zuhauf vorkommen: Theorbist und Regisseur wohnen auf einem alten Rittergut, laden befreundete Musiker ein, gründen ein Ensemble und lassen ein Festival entstehen. Viel zu schade, daß ihr Ruf zwar schon über Liebhaberkreise hinausgewachsen ist, aber doch nicht so groß, daß sich der durchaus kammermusikalisch anmutenden Kursaal in Bad Lauchstädt füllen würde. Wirklich traurig, denn das verdienstvolle Bemühen der Batzdorfer um jene Oper von Agricola wurde zu einem in jeder Hinsicht gelungenen Abend – Sie spielten frisch drauflos, die Tänzer waren ausdrucksstark und in den Sängern verband sich jugendliche Frische und Spieleifer mit reifen ausgebildeten Stimmen. Und dem Publikum, in dem manch unerwarteter Gast wie Alan Curtis saß, gefiel es auffallend gut.

Die Vieldeutigkeit des Titels deutet schon auf die Hauptproblematik eines Philosophen hin: Es ist alles eine Frage der Auslegung. Ist man ein überzeugter Philosoph, den die Liebe erwischt oder ist man ein Philosoph, der von der Liebe überzeugt wird? Nun ja, das Stück wird es zeigen.

Die Handlung dieser drei aufeinanderfolgenden Intermezzi ist schnell erzählt, ist sie uns doch aus ähnlichen Werken wie Pergolesis Magd als Herrin wohl vertraut. Er als gesetzter, reifer Mann, der sich mit den wichtigen Dingen im Leben, nämlich der Philosophie, beschäftigt, wird von Lesbina, einem etwas dreisten, kecken, aber doch im Innersten liebenswerten Mädchen umgarnt – erfolglos. So erdenkt sie sich eine Liste nach der anderen, um ihn von seiner Lieblingsbeschäftigung abzubringen. Erst tritt sie als Student verkleidet, dann als gebildetes Edelfräulein auf. Kurz wähnt sie sich erfolgreich, da wirft er ihr den Ehering vor die Füße. Sie sei ja doch nur zu Vergnügungen aufgelegt. In einem wunderbaren Duett Andate al Ballo! Andate al gioco che tutto passer?! (Geht nur zum Ball, geht nur zu den Spielen, bei denen alles vorbeizieht) wird sie als Leichtsinnige, er als Grausamer beschimpft – aber bitte noch im Superlativ. So endet es im Streit.

Wie geht es weiter? Natürlich, Eifersucht fehlt noch im Stück. Beide versuchen dem anderen auf diese Weise Schmerz zuzufügen und es funktioniert. Das Mittel zur Eifersucht, das angeblich neue Objekt der Leidenschaft, wird angegriffen. Endlich kommen sie zur Vernunft, beide spüren die Zerbrechlichkeit ihrer Verbindung, besinnen sich, vertragen sich und die Welt ist wieder heil. Erneut tauschen sie die Ringe.

Die Inszenierung bedient sich einiger witziger Kunstgriffe, deren historische Nichtkorrektheit auch für die Macher außer Zweifel steht. Auf einer transportablen, fast offenen Stehgreifbühne agieren sowohl zwei Tänzer, die die den Intermezzi vorangehenden Instrumentalstücke (sie stammen nicht aus der Feder von Agricola) vertanzen, als auch die Sänger. Das Gespräch zwischen Student alias Lesbina und Philosoph wird auf Deutsch gesungen, ein sich durchaus anbietendes Mittel zum besseren Verständnis von Agricola.

Im dritten Intermezzo wird die starke Trennung von Tänzern und Sängern aufgehoben. Erstere bleiben auf der Bühne und werden durch Anselmo und Lesbina zu Partnern, Contrapartnern und neuen Partnern gemacht. Eine dramatische Komponente wird dem Stück dadurch hinzugefügt, daß die Tänzer in ihrer neuen, nicht selbst gewählten Rolle von den Sängern umgebracht werden. Aber lange kann diese tiefe Tragik nicht anhalten. In der Versöhnungsszene werden sie wieder zum Leben erweckt und es endet im uns wohl vertrauten Bild eines Familienfotos aus Kinderzeiten.

(Susanne Krostewitz)

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