Nach sechs Jahren kommen die Bagger

Ein Kommentar zum Abriss des Messeamts am Markt

Nach 10 Jahren Diskussion und zwei Architekturwettbewerben kann der interessierte Bürger Leipzigs jetzt beobachten, wie das Messeamt gegenüber dem Alten Rathaus abgerissen wird. An und für sich ein positives Signal, immerhin passiert etwas.

Demjenigen jedoch, der sich die Zeit nimmt, hinter die Kulissen zu sehen, offenbart sich stadtplanerische Ohnmacht. Ein Rückblick: Der erste Wettbewerb ging noch vom Erhalt des Messeamtes aus und beschränkte sich auf die Wiederbebauung an Thomas- u. Klostergasse. Nach dem Auszug der Messeadministration aber war man sich schnell über den Abriß des Messeamtes einig, zum Nachdenken war offensichtlich keine Zeit.

Der 1. Preisträger des unter der neuen Prämisse durchgeführten Wettbewerbes, Massimo Carmassi aus Florenz, wurde zugunsten eines Architekten-Investorenteams ( 3. Preisträger ) auf politischer Ebene („wir haben lange mit uns gekämpft“) ins Abseits gestellt. Eine leider nicht eben ungewöhnliche Verfahrensweise. Nach undurchsichtigen Dementis in perfekten Schachtelsätzen verschwand der ganze Vorgang schließlich aus der öffentlichen Diskussion. Mittlerweile war auch das Team des 3. Preisträgers verschwunden.

Nun (nach 6 Jahren) kam der Bagger mit, wie man sagen muß, martialischen Gebärden und versuchte, alles Gewesenen zu begraben. Die mögliche Umkehrung eines physikalischen Gesetzes „Wo kein Körper ist, kann kein zweiter sein“ drängte auf gut Deutsch zur Entscheidung: „Was wird’n nu gebaut?“ Wenn wir den in diesem Zusammenhang oft gehörten Neologismus „Standortfaktor“ richtig verstehen, bedeutet er offensichtlich, daß sich die Stadt Leipzig erfolgreich auf der heißen Meile der dicken Brieftaschen angeboten hat.

Ein Modekaufhaus aus Stuttgart (Breuninger) im Gespann mit einem Düsseldorfer Architekturbüro (RKW) bebaut das Areal Ecke Markt – Thomasgasse – Klostergasse. Der Entwurf steht bereits. Das Feigenblatt eines quasi postum durchgeführten Fassadenwettbewerbes unterstreicht die unvollständige Kapitulation unserer Stadtväter als Nachweis Ihrer Existenzberechtigung!

Das Ergebnis des Fassadenwettbewerbes (nachzulesen in Bauwelt Nr. 24 / 01): Zwei dritte Preise. Einer geht an oben erwähnten Erfüllungsgehilfen aus Düsseldorf – der Saale Park läßt grüßen; leider ist das ernst gemeint. Den zweiten erhält ein Berliner Architekturbüro, welchem man den ernsthaften Versuch, der Verantwortung des öffentlichen Raumes gerecht zu werden, nicht absprechen kann. Doch eine falsch gestellte Aufgabe ist nicht zu lösen. Jetzt kapitulierte quasi auch das Preisgericht und empfahl eine Überarbeitung dieser beiden Beiträge, ein Preisrichter selbst gesellt sich gleich noch zur nächsten Runde dazu.

Diesem stadträumlich prägenden Areal sollte mehr öffentliche Aufmerksamkeit gewidmet werden, denn jede Stadt hat letztendlich die Gebäude, welche sie verdient.

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.