Festwoche der Alten Musik: Gesualdo Consort Amsterdam (Wolfgang Gersthofer)

06. Oktober 2001, Thomaskirche

Festwoche der Alten Musik 3. bis 7. 10. 2001

Gesualdo Consort Amsterdam ? Leitung: Harry van der Kamp

Jan Pieterszon Sweelinck ? und seine italienischen [?] Vorbilder

Vokalwerke von Sweelinck, Cornelius Schuyt, Jan Tollius, Herman Hollanders und Jan Baptist Verrijt

Der Orgelmeister als Psalm-, Chanson- und Madrigalkomponist

Gesualdo Consort Amsterdam mit Sweelinck und Zeitgenossen

Und schon wieder gibt es einen neuen Verein in L. E.: Almulé e. V., den Verein zur Förderung der Alten Musik in Leipzig. In seinem Gründungsjahr stellte er gleich ein kleines, aber recht feines Alte Musik-Festival auf die Beine: 5 Tage lang gaben sich Ensembles aus Berlin und den westlichen Alte Musik-Hochburgen Köln und Amsterdam sich in jener Pleißestadt, wo einst einige der größten Alte Musik-Komponisten wirkten, ein Stelldichein.

Am Samstagabend war also das Gesualdo Consort Amsterdam in der Thomaskirche zu Gast. Für das vorliegende Programm, welches dem größten holländischen Komponisten des frühen 17. Jahrhunderts, Jan Pieterszon Sweelinck, und seinem Umfeld gewidmet war, verbargen sich dahinter unter der dezenten Leitung des bekannten Alte Musik-Bassisten Harry van der Kamp 6 Vokalisten und ein ? je nach Bedarf die Laute oder Orgel traktierender ? Instrumentalist.

Die erste Konzerthälfte war zur Gänze dem legendären Organisten der Oude Kerk vorbehalten, dem seinerzeit von weither die Schüler zuströmten, um danach andernsorts wichtige Posten einzunehmen (weshalb Sweelinck auch irgendwann den Beinamen ?Hamburgischer Organistenmacher? erhielt). Zusammen mit Girolamo Frescobaldi, seinem Berufskollegen am römischen Petersdom, war er der berühmteste Organist der Epoche. Daß er auch als Vokalkomponist sich auf nicht unbeträchtlichem Niveau bewegte, wurde spätestens nach einigen Stücken des Thomaskirchenkozerts klar. Ebenso, daß wir es bei den Ausführenden mit einem hochkarätigen, sehr homogen agierenden Vokalensemble für Alte Musik zu tun hatten. Eingefaßt von drei (französischen) Psalmen wurden Auszüge aus Sweelincks weltlichem französischem Vokalwerk geboten, aus dem ?Chansonnier? von 1594, dem siebten Buch der ?chansons vulgaires? von 1608 und aus den 1612 erschienenen ?Rimes?. Den vollstimmigen Psalmen standen wechselnde Besetzungen in den weltlichen Nummern gegenüber, was die Programmfolge auflockerte. Im Chanson-Block reichte das Spekrtum von der Zweistimmgkeit (Counter und Baß) bis zum vollen Aufgebot; besonders bestach der herrlich helle 4st. a capella-Klang im vierten der ausgewählten Chansons. Die 3 Stücke aus den ?Rimes? waren geringer besetzt (a 2 und a 3).

Leider wurde der hohe akustische Genuß, den uns das Gesualdo Concsort zu verschaffen vermochte, durch den Umstand getrübt, daß den Hörern keine deutschen Übersetzungen der Stücke mitgegeben wurden. So war, wer auf die Schnelle der alten französischen Texte nicht inhaltlich Herr werden konnte, darauf angewiesen, nur den Wohlklang an sich auf sich wirken zu lassen. Zu beurteilen aber, wie der Komponist vielleicht auf Feinheiten der Textvorlagen einzugehen wußte bzw. überhaupt auf deren Ausdrucksgehalt, diesen Ehrgeiz mußte jener Hörer sich abschminken (als guter Thomaskirchenbesucher sollte man natürlich eh wissen, worum es ich in Psalm 46, 7 oder 103 dreht). Auch der im Programmheft abgedruckte Einführungstext konnte da nicht weiterhelfen, enthielt er doch nur biographische Hintergrundinformationen zu den verschiedenen Komponisten und keinerlei Hinweise auf die einzelnen Stücke und ihren Charakter. In diesem Bereich sollte sich Almulé im Blick auf die nächstjährigen Festtage noch etwas stärker engagieren!

Die zweite Programmhälfte präsentierte dann zunächst einige ? heute selbst in Fachkreisen wenig bekannte ? Zeitgenossen Sweelincks. Cornelius Schuyts ?Io piango? (aus dessen Hochzeitsmadrigalen ? ?Hymeneo, ovvero madrigali nuptiali? ? von 1611) kam irgendwie etwas altertümlich daher. Moderner, italienischer noch im Stil, wirkten die drei Madrigale aus Jan Tollius? 6stimmigem Madrgalbuch von 1597. Das erste der dargebotenen Stücke arbeitete mit vielen kleinen Wortwiederholungen (auch hier lag den Hörern keine deutsche Übersetzung vor); in ?Il dolce sonno? fielen die deutlich auskomponierten (textlichen) Antithesen auf.

?O vos omnes? aus dem 1631 erschienenen ?Parnassus ecclesiasticus? von Herman Hollanders entführte uns dann in eine ganz andere Welt: ein würdiger 4stimmiger Satz aus fließenden Linien, oft auch in getragener chromatischer Fallbewegung, machte den großen Schmerz, von dem der Text spricht, musikalisch erfahrbar. Hier nun, wie auch in den drei folgenden Motetten von Jan Baptist Verrijt, konnte man endlich den Verlauf des Stückes näher verfolgen (für die lateinischen Programmpunkten existierte eine Übersetzung).

Das abschließende 6stimmige Madrigal ?Chi vuol veder? aus der Feder des Oude Kerk-Organisten machte noch einmal deutlich, als welch wahrhaft bedeutenden Vokalkomponisten man Sweelinck (auch) anzusehen hat.

(Wolfgang Gersthofer)

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