Wünsch dir was!

Das Gewandhausorchester unter Kitajenko mit Werken von Mozart, Krüger und Strauss

Die Tage werden kürzer, in den Geschäften türmen sich die Dekorationen, hektische Menschen eilen in den Einkaufsstraßen. Eine spezielle Duftnote aus Glühwein, gebrannten Mandeln und verbrannten Bratwürsten breitet sich in den Städten aus. Untrügliche Zeichen, dass sie wieder da ist – die Vorweihnachtszeit mit Käufen und Wünschen.

Auch Gewandhausmusiker haben Wünsche. So erbat sich Konzertmeister Frank-Michael Erben zum Beispiel aus den Händen des Leipziger Komponisten Olav Kröger ein Violinkonzert. Und was dieser an Orchestermusikern auf die Beine brachte, ließ wiederum für den Dirigenten Dmitrij Kitajenko nichts zu wünschen übrig. Auf dem Podium ging es daher recht eng zu. Die Bläser in Bestbesetzung, dazu Pauken, Schlagzeug, Harfe und Klavier.

Aber Krögers Werk bleibt dennoch ein Violinkonzert. Auch wenn das große Orchester mit seinem ernstzunehmenden Begleitpart sich immer wieder deutlich zu Wort meldet, gehört der Solovioline die meiste Aufmerksamkeit. So ließ Solist Frank-Michael Erben, nachdem Violinen, Bratschen, Holzbläser und Schlagzeug das Werk eröffnet hatten, nicht lange auf sich warten, um genüsslich sein Spiel zu entfalten. Doch ein mächtiger ?Paukenschlag? verhalf dem Konzert zum vorzeitigen Höhepunkt: bei Erbens Violine war eine Saite gerissen. Ungläubiges Staunen, Raunen und Tuscheln breitete sich aus, als der Solist den Saal verließ. Die entsetzt einsetzenden Fachsimpeleien machten den Großen Saal urplötzlich zur deutschen Jahrestagung der Geigenbauer. Ob verständnisvoll: „Das passiert bei frisch bezogenen Saiten häufiger“ oder etwas resignierter: „Was willst du machen?“ – wohin sich das Ohr wandte, begegnete ihm geballtes Expertenwissen …

Beim zweiten Versuch klappte es besser. Gleichwohl verfestigte sich das Gefühl, dass Frank-Michael Erben nicht mit der allerletzten Konzentration spielte. Hatte das vorangegangene Malheur seine Spuren hinterlassen? Dennoch wusste das Konzert zu beeindrucken, vor allem immer dann, wenn sich Bläser und Pauken zu einer verschwörerischen Einheit zusammenfanden, die nur von der Solo-Violine gezähmt werden konnte. Allein die Schlagzeugsequenzen, die manchmal wie Schüsse durch den Saal peitschten, wirkten wie eine Effekthascherei, mit der der Komponist ein paar ideenlose Momente überspielen wollte.

Umrahmt wurde Krögers Werk von Mozarts „Jupitersinfonie“ und der Suite aus dem „Rosenkavalier“. Zwei typische Wunsch-Titel, denn von den vielen Sinfonien, die Mozart komponiert hat, ist die „Jupitersinfonie“ vermutlich die populärste. Die widrigen Lebensumstände, in denen sich Mozart am Ende seines Lebens befand, spiegeln sich in dieser späten Sinfonie nicht wieder. Alles hört sich so einfach an, so spielerisch. Und besitzt dabei doch eine ganz andere Art von Leichtigkeit als beispielsweise die Walzermelodien, zu denen in Strauss´ Rosenkavalier das Orchester fast im Stile von Wiener Kaffeehausmusik aufspielt. Für einen Dirigenten ist solche Musik allerdings weit weniger leicht. Mit seinen Händen rudernd, gestikulierend, mit dem Taktstock surreale Bilder in die Luft malend nahm Kitajenko jeden Zentimeter des Dirigenten-Pultes in Anspruch, bevor ein letzter Walzertakt und ein letzter Trommelwirbel den abwechslungsreichen Abend beendeten, für den man sich freilich etwas mehr Publikum gewünscht hätte.

Gewandhausorchester
Dirigent: Dmitri Kitajenko
Solist: Frank-Michael Erben, Violine
Wolfgang Amadeus Mozart, Sinfonie C-Dur KV 551 („Jupiter-Sinfonie“)
Olav Kröger, Konzert für Violine und Orchester (Uraufführung)
Richard Strauss, Rosenkavalier-Suite

22. November 2001 Gewandhaus, Großer Saal

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