James Morrison und die WDR BigBand Köln (Nico Thom)

24. November 2001
Gewandhaus Großer Saal

James Morrison und die WDR BigBand Köln

Solisten:
James Morrison ? Dirigat, Arrangement, Trompeten, Posaune, Klavier
Simon Stockhausen ? Keyboards
Peter Zografakis ? Elektrogitarre
David Jones ? Schlagzeug

Mister Morrison for President!

Das Publikum im großen Gewandhaussaal ist nur selten von derart vielen Musikern durchsetzt. Die komplette Leipziger Jazzszene einschließlich der Hochschulabteilung Jazz- und Popularmusik saß in den Rängen. Und alle verließen hinterher kopfschüttelnd den Saal. Was war geschehen?

James Morrison betritt die Bühne. Hinter im postiert sich unauffällig die WDR BigBand. Sie beginnt zu spielen und James setzt ein. Nun ja, der Mann kann was, denkt sich ein jeder, nachdem der erste Louis Armstrong Titel ?Struttin? with some barbecue? verklingt. Man nickt sich anerkennend zu, räuspert sich, der Sitz des Hemdes wird überprüft und in Programmheften geblättert. Wie heißt der Mann noch mal, James Morrison? Aus Australien? Aha, guter Mann!

Erneut huldigt Morrison und Co dem Urvater des Jazz, diesmal mit ?All of me?. Mitten im Song wechselt James plötzlich zur Posaune, nachdem er ein phantastisches Trompetensolo vorgelegt hat und zeigt, daß er sich auch auf diesem Instrument mehr als passabel auszudrücken weiß. Das beeindruckt natürlich und ganz besonders diejenigen, die wissen, daß beide Instrumente eine völlig unterschiedliche Spieltechnik erfordern. Einige Leute im Publikum strecken die Hälse, andere tuscheln ihrem Nachbarn aufgeregt ins Ohr.

Die BigBand ist nun warm gespielt und präsentiert sich mit homogenem und geschlossenem Sound. Die herzallerliebsten Arrangements von Morrison sind schon eine Klasse für sich. Wunderbar effektvolle, kräftige Kicks wechseln mit anheimelnden lyrischen Bläsersätzen und engen Duopassagen und alles ist im steten swingenden Fluß der Rhythmusgruppe verankert.

Sir James Morrison, der von der englischen Königin zum Member of the Order of Australia ernannt wurde, beweist bei jeder Ansage seine vorzüglichen Entertainerqualitäten indem er ständig zum Schmunzeln animierende kleine Anekdoten einstreut. Dem Publikum, das seinem Charme sowieso schon längst erlegen ist, bietet er bei jedem weiteren Song eine Steigerung seines ohnehin schon erschreckend virtuosen Spiels. Wenn man glaubt, daß ihm beim nächsten Ton gleich der Kopf platzen müßte, setzt er noch eins drauf und steigt unbeirrt weiter auf der Tonleiter in kaum noch nachvollziehbare Register. In schwindelerregenden Tempi fegt er mit immensem Druck durch den Himmel der Töne und überzieht die gesamte Bigband wie ein heller Lichtstrahl. Das macht ihm Spaß, wie er offen gesteht, und sein Lächeln zeugt von Bescheidenheit, die er sich trotz seiner steilen Karriere bewahrt hat.

Schon mit 13 Jahren wurde der nun mittlerweile Mitdreißiger zum professionellen Musiker. Seitdem spielte er mit sämtlichen Stars der Szene, unter anderem mit Cab Calloway, Dizzy Gillespie, Ray Charles, George Benson, B.B. King usw. usf.
Im zweiten Teil des Programms wird die Bigband durch zwei weitere Gastsolisten verstärkt. Der Sohn des berühmten Komponisten Karlheinz Stockhausen ? Simon Stockhausen ? klettert hinter eine Wand aus Synthesizern, Samplern und Effektgeräten und Peter Zografakis schließt seine Gitarre an. Musikalisch wandelt man nun auf Pfaden des zeitgenössischen Jazz mit all seinen Fusionen und Ausprägungen. Morrison kündigt einen funky Rockjazzblues mit afroamerikanischem Latinfeeling an und hält sein Versprechen.

Immer wieder treten Mitglieder der Bigband solistisch an die Seite ihres Leaders und so entsteht ein bunter Reigen von teils sehr ausgedehnten Soloimprovisationen und improvisierten Ensemblepassagen. James und seine Band zollen sogar dem Altmeister J.S. Bach Tribut mit ihrer leicht modifizierten Version der Fuge Nr. 2, bei der Mister Morrison zur sogenannten Bachtrompete greift und ?einen Gucken läßt?. Außerdem spielt er beim Titel ?Jam de morrisola? ein ruppiges Solo ? nunmehr auf der elektronischen Trompete. Das Publikum ist mittlerweile kaum noch fähig, das musikalische Spektakel in seiner Gänze zu begreifen respektive nachzuvollziehen und genießt mehr die ruhigen Stücke, die Mister Morrison und Kollegen mit Seele auszufüllen wissen.

Das Leipziger Publikum läßt solche Musiker nicht ohne Zugabe davonkommen und zeigt trotzdem Verständnis dafür, daß James ohne die Band die Zugabe spielt, da sich diese, ermüdet von den musikalischen Höchstleistungen, lieber in den Backstagebereich zurückzieht. Mister Morrison erzählt von seiner ersten Begegnung mit dem Jazz und spielt dann den besinnlichen ?Basin? Street Blues? als ginge es um sein Leben. Und allen Zuhörern im Saal fällt die Kinnlade herunter da sich Morrison dabei selbst am Flügel begleitet.

Was nur die wenigsten wissen, ist, daß dieser Mann neben den verschiedenen Trompetenarten, der Posaune und dem Klavier noch Saxophon, Flügelhorn und Euphonium spielen kann. Und was noch viel weniger Leute wissen, ist, daß dieser Mann in seiner Freizeit Flugzeug fliegt, Berge besteigt, Ralley und Speedboat fährt und manchmal zum Bunji-Jumping geht. Ergo: Mister Morrison for President!

(Nico Thom)

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