Petersen Quartett mit Haydns, Schulhoff, Beethoven (Marie Babette Spranger)

Das Petersen Quartett in Leipzig ? ein Geschenk der Kammermusik

Ein wahrhaftes Nikolausgeschenk offerierte der Verein Synagoge und Begegnungszentrum Leipzig e.V. in der Leipziger Thomaskirche. Dank mäzenatorischer Unterstützung eines Mitglieds konnte das in Deutschland beheimatete und international gefeierte Petersen Quartett für ein Konzert gewonnen werden. Es eröffnete den Abend mit Haydns ?Sonnenaufgangsquartett? op. 76,4, einem Werk, das sich hinsichtlich seiner Expressivität und harmonischen Anlage bereits der Sprache des 19. Jahrhunderts annähert und besonders in den ersten beiden Sätzen zum geradezu romantischen Klangerlebnis wird. Das Ensemble mit seinem feinen, ausgewogenen, fokussierten und wunderbar schwebenden Gesamtklang vermochte dieses sowohl nach innen gekehrte als auch plötzlich expressiv ausbrechende Werk mit größter Intensität, Spielkultur und Wahrhaftigkeit zu interpretieren.

Die schwierige Akustik des Kirchenraumes, die besonders hohe Anforderungen stellt, wußte das Ensemble klug umzusetzen. Ließen die Musiker ihre Kantilenen in den sanglichen Momenten des 1. und 2. Satzes in scheinbar unendliche Dimensionen entschweben, so gaben sie dem rhythmisch ausgeprägteren Menuett und der furiosen Stretta des Finales durch stärkere Akzentuierung und deutliche Zäsuren Kontur, ohne deshalb Lebendigkeit und Spontanität zu opfern. Spontanität schien auch das Leitmotiv ihrer Interpretation von Erwin Schulhoffs 5 Stücken für Streichquartett zu sein; einer von barockem Muster abgeleiteten Tanzsuite, die der gebürtige Tscheche 1923 in Prag komponiert und dem französischen Komponisten Darius Milhaud zugedacht hat. Die darin aufgenommenen folkloristisch-slawischen Idiome, welche tänzerische Lebendigkeit, wie im Valse viennese, mit scharfen, rhythmischen Figuren (Alla Czeca) kombinieren, fordern von den Interpreten ein besonders breites Klang- und Ausdrucksvermögen. Dies motivierte das Petersen Quartett einmal mehr, sein enormes farbliches Klangspektrum und seinen mitreißenden, musikalischen ?drive? zu demonstrieren.

Abschließend wendeten sich die Musiker Beethovens 3. Streichquartett op. 18 zu, einer, verglichen mit den Nachbarwerken, eher schlichten Komposition, welche jedoch einige musikalische Überraschungsmomente in sich birgt. So zum Beispiel das synkopisch markante 2. Thema des 1. Satzes oder das sich in höchster Kunstfertigkeit, Temperament und Witz entladende Presto-Finale im 4. Satz.. Gerade in diesem wird man auch der Schwierigkeiten gewahr, welche für ein perfektes Zusammenspiel überwunden werden müssen. Das setzt freilich die selbstverständliche Beherrschung des eigenen Parts, die blinde Harmonie aller vier Ensemblemitglieder und ein einheitliches Verständnis des musikalischen Duktus und Temperaments voraus. Auch wenn zum Teil die bereits erwähnte Kirchenakustik, die wohl die Abstimmung innerhalb des Ensembles erschwert hat, Schuld sein mag, so hätte man sich gerade im furiosen Schlußsatz etwas mehr Geschlossenheit der vier Stimmen gewünscht. Abgesehen davon bezauberte das Ensemble jedoch wiederum durch seinen wunderbar singenden Ton und seine große dynamische Bandbreite, wodurch auch dieses Schlußwerk zu einem Erlebnis hoher kammermusikalischer Klangkultur wurde.

(Marie Babette Spranger)

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