Violinsonaten von J.C. Bach, Mozart und Beethoven (Frank Sindermann)

Violinsonaten von J.C. Bach, Mozart und Beethoven

Johann Christian Bach:
Sonate D-Dur op. 16,1 für Klavier und Violine
Wolfgang Amadeus Mozart:
Sonate B-Dur KV 454 für Klavier und Violine
Ludwig van Beethoven:
Sonate A-Dur op. 47 für Klavier und Violine („Kreutzer-Sonate“)

Christian Funke, Violine
Michael Schönheit, Hammerklavier


Mozart zum Warmspielen

Wohl jeder hat schon die Erfahrung gemacht, dass es nicht immer die vollkommenen Dinge sind, die einem besonders gefallen, sondern manchmal auch diejenigen mit kleinen Ecken und Kanten. Auch in der Musik gibt es dieses Phänomen. Im Gedächtnis bleiben nicht die geglätteten, übervorsichtig angegangenen Interpretationen, sondern diejenigen, die mit originellen bis gewagten Zugangsweisen einen Eindruck des Neuen, des Persönlichen oder auch des Authentischen erzeugen. Wenn dieses geschieht, nimmt man einzelne Fehler oder Unstimmigkeiten bei der Ausführung ohne Bedenken in Kauf. Wenn allerdings kein überzeugendes Grundkonzept erkennbar wird, wenn also künstlerisch auf Sparflamme gekocht wird, dann rettet auch ein weitgehend korrektes Abliefern des Notentextes nichts mehr. Beide Fälle waren im besprochenen Konzert zu verzeichnen. Es war ein Konzert für Geduldige; denn etwas wirklich Hörenswertes bekam man erst nach der Pause geboten.

An sich ist es eine schöne Idee, einmal eine der weitgehend unbekannten Violinsonaten Johann Christian Bachs dem Publikum vorzustellen. Wenn dieses Vorhaben allerdings in einer Aufführung wie derjenigen durch Christian Funke und Michael Schönheit mündet, dann kann man gut und gern darauf verzichten. Allzu eindeutig haftete der Darbietung ein Makel des Flüchtigen und Unausgereiften an, so als ob das Werk allein als Hors d´oeuvre zu den „eigentlichen“ Werken ins Programm genommen worden wäre. Versöhnlich stimmen konnte allenfalls das im großen und ganzen geschmackvolle Violinspiel Funkes. Schönheits Begleitung hingegen wirkte wie vom Blatt gespielt, voller kleiner Fehler und Ungenauigkeiten. Das Zusammenspiel (wenn man es denn so nennen will) der beiden Musiker rundete den Gesamteindruck nach unten hin ab. Was blieb, war eine uninteressante Etüde zum Warmspielen.

Leider schien es so, als ob das Duo auch die Mozartsche Sonate noch zur Vorspeise rechnete. Anders ist kaum zu erklären, warum hier kaum mit mehr Sorgfalt zu Werke gegangen wurde. Auch hier referierte Schönheit meistens bemüht den Notentext, ging kaum auf den Solisten ein. Allenfalls im langsamen Satz fanden die Musiker zu einander, entstand für wenige Augenblicke überzeugende Musik. Man muss sich fragen, wie es zu dieser enttäuschenden Leistung kam. War die Probezeit insgesamt zu kurz? Nahm die „Kreutzer-Sonate“ zu viel von ihr in Anspruch? Oder wurden etwa die Werke Bachs und Mozarts auf die leichte Schulter genommen? Was zur Pause blieb, war ein Hoffnungsschimmer für den zweiten Teil.

Dieser Hoffnungsschimmer war durchaus berechtigt. Denn die Interpretation der berühmten „Kreutzer-Sonate“ Ludwig van Beethovens, mit der Funke und Schönheit den zweiten Teil des Konzerts bestritten, konnte selbst höchsten Ansprüchen genügen. Hatte es im ersten Teil manchmal so gewirkt, als stünden die Musiker gleichsam unbeteiligt außerhalb der Musik, so stürzten sie sich nun mit Haut und Haar ins Geschehen. Der erste Satz glich einem infernalischen Galopp, dynamisch und agogisch bis zum Äußersten getrieben. Da kratzte Funke betont schroff über die Saiten, da glich Schönheits Spiel einem Orkan. Manchmal verloren sich die Interpreten in der Durchführung etwas aus den Augen; der mitreißenden Wirkung tat das überhaupt keinen Abbruch. Im Gegensatz zu den beiden zuvor gebotenen Werken stimmte hier der Ansatz, war eine künstlerische Absicht erkennbar, überraschten Funke und Schönheit immer wieder mit originellen Ideen. Und hier wurde das Hammerklavier auch nicht zum Opfer der modernen Violine. Es konnte vielmehr seine klanglichen Reize voll zur Entfaltung bringen, wie zum Beispiel im hervorragend gelungenen zweiten Satz. Hier gab es an diesem Abend endlich große Musik zu hören. Auch der virtuose Schlusssatz ließ kaum zu wünschen übrig. Wäre da nicht der erste Teil gewesen, hätte man von einem rundweg gelungenen Konzert sprechen können. So aber nahm der Beethoven in diesem Konzert nicht den Platz eines krönenden Höhepunktes ein, sondern eher den einer versöhnenden „Entschädigung“.

(Frank Sindermann)

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