Solokonzert mit Wolfram Huschke – Violoncello (Nico Thom)

Solokonzert mit Wolfram Huschke – Violoncello


Ein rührender Teddybär

Wenn jemand in der Vorweihnachtszeit ein Solokonzert in einer Kirche gibt, dann kann man in der Regel auf ein recht beschauliches und besinnliches Musizieren schließen. Nicht, daß es bei diesem Konzert anders gewesen wäre, aber dabei allein wollte es Wolfram Huschke nicht bewenden lassen.

Das vom Anker in Zusammenarbeit mit der Reformierten Kirche organisierte Konzert bot Huschke die Möglichkeit, einen Zwischenstop in Leipzig einzulegen, um im Rahmen seiner Promotiontour die neue CD ?Mittendrin? vorzustellen. Doch ein Huschke-Konzert ist alles andere als berechenbar und vorprogrammiert.
Vor das zahlreich erschienene Publikum tritt ein gutgelaunter, kräftiger junger Mann, der trotz seines kahlrasierten Kopfes wie ein sanfter Teddybär wirkt. Er erkundigt sich nach der Befindlichkeit der Gäste, macht kleine Witze und beginnt dabei ein wenig über die Saiten seines Instruments zu streichen. Er gibt den Tönen Zeit, sich auszubreiten und die Kirche auszufüllen. Huschke spricht dabei mit leiser Stimme und signalisiert den Anwesenden, daß er nicht vor hat, die sonst übliche Distanz zwischen Interpret und Publikum zu wahren, sondern, daß er mit dem Publikum eine schöne Zeit verbringen und es auf eine musikalische Reise in sein Innerstes einladen möchte.

Und wie ist man doch geneigt, ihm zu folgen, beim Vernehmen dieser zutiefst ehrlichen Musik, die sich wie eine sanfte Wolldecke über das von Weihnachtseinkäufen streßgeplagte Gemüt legt und es wohlig warm umhüllt. Man bemerkt sofort, daß da ein Menschenfreund Musik macht, der weiß, wie man ein schüchternes Publikum anzufassen hat. Die Kinder in der ersten Reihe sprechen mit ihm während er musiziert; er geht auf sie ein und spielt ein Elefantenlied, halb singend, halb albernd, mit theatralischem Gespür für die besondere Situation.

Und nicht nur die Kinder sind verzaubert. Wenn Huschke zum elektrischen Violoncello wechselt und mit ungestümer Wildheit das Kircheninnere zum beben bringt, dann kann sich keiner dem Wechselbad der Gefühle entziehen. Huschke rauscht über den Steg des Instruments und nutzt den endlos langen Nachhall, um Schlösser, Burgen und Festungen zu erbauen, die er danach mit sägenden und wallenden Klängen wieder demontiert. Er unterbricht sich selbst, um den Zuhörer zur Besinnung kommen zu lassen und wirft ihn dann unvorbereitet in ein Meer aus subtilen Wasserklangtropfen, die teils einzeln, teils als spielende Klangwellen hörbar werden.

Den virtuosen, sich jeder Kategorisierung entziehenden, Instrumentalstücken, die er oftmals mit eigener Stimme begleitet und ausmalt, folgen einfache Lieder, bei denen das Violoncello hinter die Texte zurücktritt. Lieder wie ?Der pickelige Gerhard?, ?Annas Augen? oder ?Der Pilz? erzählen von Angst, Liebe und Marginalien, die aus dem Leben gegriffen sind und einer bitteren Ironie nicht entbehren. Und wenn Huschke dann zum Abschluß das Violoncello zwischen Schulter und Wange klemmt, sich erhebt und langsam zwischen den Zuhörern umhergeht, eine leise Melodie spielend, dann ertappt man sich dabei, wie man vor lauter Rührung über diesen authentischen Moment eine kleine Träne verliert.

(Nico Thom)

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