Altäre und Idole

Messerschmidt+Messerschmidt: „Altäre und Idole”, Ausstellung

Wer sind sie eigentlich, die Idole und Helden unserer Zeit? Es hat sie schon immer gegeben, doch es stimmt fast nachdenklich, wie sie immer mehr verschwinden, langsam und unbemerkt, bis hin zur Bedeutungslosigkeit. Es scheint der Lauf der Dinge zu sein, daß jeden Tag etwas verschwindet, manchmal nur kurz in die Ferne entrückt, aber oft endgültig. Daher geht es dem Künstlerehepaar Klaus F. und Gabriele Messerschmidt, die als freischaffende Bildhauer in Wölkau bei Merseburg tätig sind, in ihrer Ausstellung sicherlich auch nicht darum, Erinnerungskultur in Form eines Denkmals zu schaffen, es scheint fast, als solle dem Betrachter ihrer Arbeiten, zumindest für eine kurze Zeit, die Existenz und zugleich die Vergänglichkeit der Idole und Helden bewußt gemacht werden.

Durchwandelt man den Ausstellungsraum, so wird einem immer mehr gewahr, daß die gezeigten „Helden“ nicht nur dem Vergessen zum Opfer gefallen sind, sondern daß sie sich vielmehr auch selber geopfert haben. Genau wie die Bergmänner, die im Mansfeldischen über 800 Jahre unter unmenschlichen Bedingungen Kupfer vom Grund des Zechsteinmeeres kratzten. „Die Krummhälse“ hat Klaus Messerschmidt den von ihm geschaffen Altar genannt, eine monumentale Arbeit aus massivem Holz, der dem Betrachter eine Art Querschnittblick auf das Innere des Bergwerks ermöglicht. Da liegen sie nun, die hölzernen Krummhälse, die Köpfe durch das Halten der Öllampen verformt, jeder in einem 40 cm hohen Streb, durch das Holz halb ummantelt, wie in kleinen Särgen, als hätten sie sich ihr eigenes Grab gegraben. „Waren sie wirklich Helden die Krummhälse?“ Oder wurden sie vielleicht doch nur auf dem Altar des Mammons geopfert?

Sich opfern, das gehört auch zum Selbstverständnis der Männer der Feuerwehr. Sie sind Thema einer anderen Arbeit mit dem Titel : „Das Ende der Feuerwehr“. Man sieht es ihnen an, daß sie den Kampf gegen das Feuer verloren haben, die lodernden Flammen haben ihre hölzernen Körper zerfressen, hier und da schimmert Blattgold durch die rußige Oberfläche der Figuren. Die einst glänzende Uniform läßt sich nur erahnen. Obwohl sie den Kampf verloren haben, stehen sie aufrecht da, eingehüllt von hölzernen Sarkophagen – ein Anblick der Machtlosigkeit und der Endlichkeit.

Im hinteren Teil des Ausstellungsraums öffnet sich dem Besucher „Das Tor der Lüste“, ein Altar der Lust, auf dem, wie Gabriele Messerschmidt sagt, „viel und manchmal alles geopfert wird“. Zwei große Flügeltüren öffnen sich leicht, aber nicht ganz, und die phallusförmigen, goldenen Klinken laden dazu ein, das Tor weiter aufzudrücken, um den Blick frei zu machen, hin zum Symbol der Sinnlichkeit und Erotik – einem großen, vertikal stehenden, hölzernen Mund. Hier erfüllt sich die Lust des Betrachtens. Das Tor, das den Weg freimacht, könnte noch weiter aufgestoßen werden, es scheint aber, als genügte es so schon für beinahe alles.
Das Künstlerehepaar Messerschmidt will einen Einblick in ihre eigene Sichtweise auf die verblichenen Helden geben. Ist der Held einmal in die Ferne entrückt, so bleibt von ihm, wie sie es beschreiben, „nur noch ein schwacher Widerschein vergangener Heldentaten.“ Doch auch für sie bleibt daher die eine große Frage bestehen: „Wer kann heute noch jemanden seinen Helden nennen, auf Anhieb, mit gutem Gewissen und ohne Wenn und Aber?“

Messerschmidt+Messerschmidt: Altäre und Idole

Ausstellung vom 31. Januar bis 2. März 2002, Galerie Unten, Dittrichring 16


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