Staatskapelle Dresden mit Werken von Mozart, Strauss und Beethoven (Steffen Lehmann)

24.02.2002 Semperoper
Staatskapelle Dresden
Dirigent: Sir Neville Mariner

Wolfgang Amadeus Mozart, Sinfonie Nr. 36, KV 425, (?Linzer Sinfonie?)
Richard Strauss, Rosenkavalier-Suite
Ludwig van Beethoven, Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 (?Eroica?)


Triumph des Raumes

In der ?Fremde? orientiert sich der Reisende gerne an Vertrautem. Neues wird gleichsam überrascht zur Kenntnis genommen. So mag es auch dem geneigten Gewandhausbesucher ergehen, wenn er sich auf den Weg nach Dresden macht, um die weithin gerühmte Semperoper zu besuchen. Was erwartet ihn dort? Das Altbekannte zuerst: Auch in der Semperoper existiert die Spezies Konzertbesucher, die, kaum ist der letzte Ton verklungen, aufspringen, als hätten sie auf einem Schleudersitz gesessen. Als ginge es darum, in der noch nicht olympischen Disziplin Wie-komme-ich-zuerst-an-meine-Garderobe um Medaillen zu kämpfen. Ansonsten ist die Semperoper ein Konzertsaal mit einer veritabel guten Akustik, der in diesem Punkt sogar noch das hervorragende Gewandhaus hinter sich lässt.

Dafür kostete aber auch die Garderobe gleich einen ganzen Euro. (Ist das nicht eine Einnahmequelle, die vom Gewandhaus bislang vernachlässigt worden ist?) Und die Überraschung geht weiter bei der Kleiderordnung der Herren vom Orchester, die im dunklen Zwei-Reiher auf der Bühne erschienen, der nicht allen unbedingt zum Vorteil gereichte…

Doch genug davon. Den musikalischen Auftakt bildete an diesem Sonntagvormittag Mozarts ?Linzer Sinfonie?. Die Violinen gefielen von Beginn an mit ihrem samtenen Ton. Im zweiten Satz rollten die Bläser für die Streicher regelrecht den roten Teppich aus. Faszinierend dieser Klang, in dem die Akkorde zum Greifen nah schienen. So gediegen – um nicht zu sagen: perfekt – dieser Auftakt auch war, er vermochte dennoch nicht die letzte Schlaffheit aus den Gliedern zu dieser frühen Morgenstunde zu vertreiben.

Mit der Müdigkeit vorbei war es bei Strauss‘ Rosenkavalier-Suite. Die letzten Plätze auf dem Podium füllten sich, was nur eine nochmalige Steigerung des bisherigen Klangerlebnisses bedeuten konnte. Mit dem Rosenkavalier wollte Strauss den antiken mythischen Mustern seiner bisherigen Opern entfliehen und kündigte eine ?Mozart-Oper? an. Sein kongenialer Partner Hugo von Hofmannsthal hatte die Idee zu einer Spieloper ?mit drastischer Komik in den Gestalten und Situationen? in drei Tagen zu Papier gebracht. Und Strauss schreibt begeistert über seine Arbeit: ?Meine Arbeit fließt wie die Loisach, ich komponiere alles mit Haut und Haar.?

Zu Beginn des ersten Satzes macht Strauss mit einer Klangvielfalt, die bis zur Disharmonie reicht, den Zuhörer zunächst etwas ratlos, ehe sich wohlfeile Harmonien einstellen. Neville Mariner führte das Orchester ruhig, ganz in der Tradition des britischen ?understatements? und unterschied sich darin von der Leipziger Aufführung im November des vergangenen Jahres unter Kitajenko, der einen wahren Veitstanz auf dem Pult vollführte. Seine besten Momente hatte das Orchester bei den Walzer-Stücken, welche die Kritiker von Richard Strauss einst als ?niveaulos? bezeichneten. Faszinierend pointiert die verspielten, langsamen Übergänge. Auch hier schienen die Töne endlos im Raum zu schweben. Begeisternd das Finale, was vom Publikum mit Fußgetrampel (!) honoriert wurde.

Zu Beethovens Dritter Sinfonie bleibt zu sagen: Das Orchester spielte die Sinfonie sehr gekonnt und routiniert. Das erneute Fußtrampeln – vielleicht ein Ritual? ? war dafür Beweis genug. Ein entscheidender Vorteil ist allerdings auch, dass die grandiose Akustik der Semperoper wie ein erhobener Zeigefinger auf das Publikum wirkt. Während des gesamten Konzertes waren keine lautstarken Huster zu vernehmen. Die lieben Gewandhausbesucher, vielleicht sollten sie öfter einmal in die Semperoper gehen?

(Steffen Lehmann)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.