Wenn den Klausner Klaustrophobie befällt

Andreas Maier liest bei der Buchmesse

Der Raum der Maerzgalerie passt wenig zur Atmosphäre in Andreas Maiers zweitem Roman. In „Klausen“ geht es südtirolisch eng zu, die Galerie aber, in der die Lesung am 23.3. stattfand, ist weit, zumindest weit genug, um Klaustrophobie und anderen berechtigten Ängsten vor Engstirnigkeit entgegenzuwirken – provinziellen Zuständen, die der eigenbrötlerische Autor mit Wohnsitz in Südtirol bestens kennt, unter die Lupe nimmt und karikiert.

Der Andrang war mit rund 50 Besuchern größer als das Stuhlangebot. Schon mit der Lesung im Jahr zuvor an gleichem Ort fand der inzwischen mit drei Debütpreisen ausgezeichnete Roman „Wäldchestag“ begeisterte Aufnahme. In diesem Roman exerzierte Maier mit einer gewissen Unerbittlichkeit den Konjunktiv der indirekten Rede durch; ein Spiel hart an der Grenze des Erträglichen mit Gewinn auf der skurrilen Seite. Genauso spritzig, nur ein wenig gängiger erscheint der zweite Roman, trotz der Nähe Maiers zu Thomas Bernhard immer noch eigenwillig genug, um sich galaktisch vom literarischen Mainstream abzuheben.

Das südtirolische Städtchen Klausen lebt von seiner untergrabenden Idylle. Das Autobahnviadukt und der Stausee stehen für den nicht aufzuhaltenden Einzug der Moderne. Dem Stadtmaler Pareith gelingt es, „das wahre Klausen“, „das Klausen seines Herzens“ festzuhalten, unter Weglassung aller neuzeitlichen Attribute. Der junge Tunichtgut Gasser nimmt ein deutsches Touristenpaar aufs Korn und gibt sich als Ingenieur eines zu bauenden Kraftwerkes aus. Er bringt damit eine Lawine von Wandanschlägen bis gewalttätigen Übergriffen in Gang und man weiß am Ende nicht mehr, was am Anfang stand: Durch die auf Gerüchten basierende lokale Berichterstattung wird eine Realität erschaffen, ein „unlösbares Knäuel“ aus der „bloßen Kombination im Raum schwebender Motive“. Medienwirklichkeit versus Wirklichkeit sind genauso zentrales Thema wie die Idylle und deren Störung. Andreas Maier wirft einen scharfen Blick auf die „Klausner“, auf Abseitiges. Er zeichnet ein skurriles Figurenpanoptikum und zeigt, dass Kleinstadtportraits fernab der Metropolenliteratur durchaus tragfähige Gesellschaftsbeschreibungen sind, wenn auch in diesem Fall nicht ganz vom Geist des Ewiggestrigen verschont. Worte wie „alsbald“ und „alsdann“, das Erzählpräteritum und die immergültig erscheinenden Dialoge geben dem Roman einen abgehobenen Ton. Wieder verlegt sich der Autor weniger auf das Epische als auf Dialoge, eine Eigenheit, Stärke, die Andreas Maier zum Bühnenautor befähigen kann.

Neugier wurde geweckt auf das Buch, von dem man während der Lesung nur einen flüchtigen Eindruck gewinnen konnte. Das Lachen, das den Zuhörern auf den Gesichtern lag, brach nicht aus, konnte sich nicht gegen die Trockenheit, die deutschen Lesungen mitunter anhaftet, durchsetzen, honorierte den turbulent zugespitzten Erzählstil und die Situationskomik in Maiers Roman nicht, dafür aber der Applaus. Und weil der Vielschreiber bis zu seinem Debüt schon etliche Manuskripte in seinem Schreibtisch verwahrte, ist für nächstes Jahr ein neues Buch zu vermuten, gleicher Autor, gleicher Ort, neues Werk … ein geistreiches Hörvergnügen für jeden, der einmal in den Sog geraten ist, in den „Maierstream“.

Andreas Maier: Klausen
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002
215 Seiten, 18 €
23. März 2002, Maerzgalerie Leipzig

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