Wie soll der Augustusplatz denn nun aussehen?

Ein Kommentar zur aktuellen Diskussion um einen Wiederaufbau der Paulinerkirche am Augustusplatz

Die Entscheidung über die „Neugestaltung des Augustusplatzes“ rückt in greifbare Nähe. Die Forderung, daß die Paulinerkirche wiederaufgebaut werden soll, wird immer wieder neu erhoben und auch immer wieder neu zurückgewiesen. Wie so oft bei derartigen Diskussionen überragen auch in diesem Fall die Emotionen den sachlichen Dialog. So sei ganz ohne Wertung vorab gesagt, daß uns bei wichtigen Entscheidungen Emotionen zwar begleiten, doch nicht leiten dürfen.

Die Sprengung der Paulinerkirche und des Audimax der Universität war der barbarische Akt einer durch Ideologie regierten Gesellschaft, welche glaubte, antireligiöse Fakten schaffen zu müssen. Ein letztendlich symptomatisches Zeichen jeder selbsternannten neuen Gesellschaftsform, die in scheinbar überwundenen Strukturen der alten Ordnung gefährliche Relikte sieht, welche nur bedingt geduldet bzw. völlig beseitigt werden müssen.

Der Augustusplatz ist ein Beispiel für sozialistische Stadtplanung. Platzbestimmend sind das Gewandhaus, die neue Universität, Hotel, Postgebäude, Oper und Franz-Mehring-Haus. Alle diese Gebäude mit ihrer öffentlicher Nutzung sind durchaus richtig „am Platze“. Wie werden sie öffentlich wahrgenommen? Eine schwierige Frage, die am Ende womöglich durch die Beliebtheit der einzelnen Bauten beantwortet wird.

Das Gewandhaus, im lokalem Bewußtsein noch mit der Person Kurt Masurs verbunden, ist dabei der konkurrenzlose Sieger. Mehringhaus mit Buchhandlung – ein Stück Vergangenheit – ist ebenfalls eine Leipziger Institution. Die Oper, obwohl in jüngster Zeit im allgemeinen Interesse etwas vernachlässigt, hat hinsichtlich ihrer baulichen Präsenz auch gute Karten. Die Universität ohne ihr Wahrzeichen, den (Uni-)Riesen, rangiert nach meinem Empfinden im Niemandsland; Hotel und Postgebäude ebenso. Diese drei Gebäude werden mit der DDR-Vergangenheit am meisten identifiziert, ihnen widerfährt nun das Schicksal der Ablehnung.

Nachdenklich macht, daß diese Skala umgekehrt proportional die architektonischen Qualitäten widerspiegelt. Das Postgebäude in Struktur und architektonischer Ausformung ist ein herausragendes Beispiel für Bauten der 60er Jahre, vor allem auch im internationalem Vergleich. Die Universität als Ensemble ist platz- und stadtprägend mit einer dem Platz angemessenen Erscheinung; Nachteile liegen in der inneren Struktur. Interessanterweise ist gerade das beliebte Gewandhaus gestalterisch am kritischsten zu sehen. Den expressiven Gesten in der äußeren Erscheinung wie im Inneren haftet eine autistische Haltung an. Zum Ort, zum städtisch-baulichen Kontext hat diese Formensprache keinen Bezug.

In diesem Gespinst von gestalterischen, funktionalen, soziologischen und geschichtlichen Faktoren bewegt sich auch die Problematik um die Neuordnung des Universitätsensembles und den Wiederaufbau der Paulinerkirche. Politische Interessen bedienen sich jeweils der Argumente, welche den entgegengesetzt angestrebten Zielen förderlich sind.

Der jetzt eingeschlagene Weg scheint mir vor diesem Hintergrund sehr vernünftig und konstruktiv. Eine von der Universität koordinierte und geleitete Kommission hat einen Rahmen für die Neuordnung abgesteckt. Darin formuliertes Ziel ist die Schaffung eines Audimax, welcher am historischem Ort die Spuren der Paulinerkirche aufnehmen soll. Für die spätere Nutzung sind neben der Lehre auch religiöse Veranstaltungen vorgesehen.

Es bleibt zu hoffen, daß das eindeutige NEIN zum Wiederaufbau den politischen Stürmen standhalten wird und die Beiträge des gemeinsam mit der Stadt ausgelobten Wettbewerbes an den vom Nutzer und Eigentümer formulierten Zielen gemessen werden.(Steffen Kühn)

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