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Zum 200. Geburtstag von Johann Nepomuk Nestroy hat sich die deutschsprachige, allen voran die austriakalische Germanisten- und Theaterwissenschaftlerzunft mächtig ins Zeug gelegt. Zu Recht, denn im Umfeld der Nestroy-Forschung gab es zahlreiche weiße Flecken. Nun hat, neben Wendelin Schmidt-Denglers Nestroy. Die Launen des Glücks (Verlag Zsolnay, Wien 2001) und Renate Wagners Nestroy zum Nachschlagen.Sein Leben – Sein Werk – Seine Zeit (Styria Verlag, Graz 2001), auch der Ordinarius für neuere deutsche Literatur mit besonderer Berücksichtigung der österreichischen Literatur an der Universität Wien, Herbert Zeman, vor allem das künstlerische Werden und Wirken Nestroys unter die Lupe genommen.
Dabei hat er nicht nur jedes einzelne der über 80 Bühnenstücke – die teils das Potential haben, noch unter heutigen Bedingungen zu bestehen – besprochen und dabei ihre Satire, Komik sowie ihren Witz gewürdigt. Neben der Inhaltsangabe der Nestroyschen Theaterstücke hat Zeman eine fundiert recherchierte Biografie vorgelegt, wobei vor allem die Nachzeichnung der Nestroyschen Jugendjahre – angereichert durch unveröffentlichte Dokumente – für Interesse sorgen dürften. Völlig neu das Hervorstreichen Nestroys als Konzert- und Opernsänger.
Endlich steht es schwarz auf weiß: Dass Nestroy bereits mit siebzehn Jahren und danach in den Jahren 1819 bis 1822 regelmäßig in Konzerten als Chorist und Solist auf der Bühne stand. Am 17. Februar 1819 etwa entschuldigt er sich in einem Brief beim Comittée des großen Musickvereins: Er müsse den „Singpart“ zurückschicken, da er gerade von einer Krankheit genesen sei, aber das Haus noch nicht verlassen dürfe. Er werde aber fürs nächste „Gesellschafts=Concerte“ wieder zur Verfügung stehen und in „drey oder vier Wochen“ bei den „Musicken im rothen Apfel wieder zu Diensten“ sein. Der rote Apfel war das Quartier des leitenden Ausschusses der Musikfreunde und der Singschule.
Kenntnisreich weist Zeman auf den Stellenwert der Musikeinlagen und Couplets in Nestroys Stücken hin, deren Koloraturen und Tonumfang von den Darstellern der Zentralfiguren nicht lediglich geschulte, sondern voll ausgebildete Stimmen forderten. Er verweist auch auf Analogien und Verwandtschaften in Figurenkonstellationen im zeitgenössischen Musiktheaterrepertoire, das Nestroy als längjähriger Opernsänger im Blut haben musste. Minutiös wurden dafür Aufführungsberichte studiert, Briefe und andere einschlägige Quellen ans Licht der Öffentlichkeit gehoben, etwa aus dem Archiv des Musikvereines, die beweisen, in welchem Rahmen der Autor von Volksstücken, Possen, Travestien und Parodien sowie deren Gesangseinlagen auf Erfahrungen als Bassbariton-Solist der Wiener Hofoper zurückgreifen konnte.
Dialektischer Witz, scharfe Ironie, abgründige, subtile Satire standen bei Nestroy neben absurder, urwüchsiger Komik. Alle seine Werke sind geprägt von desillusionierender, absoluter Skepsis gegenüber menschlichem Verhalten und gesellschaftlichen Entwicklungen jeglicher Art. Unerbittlich zeigt er in seinen Werken menschliche Abgründe und Schwächen, prangert sie an, doch ist stets Sympathie für die kleinen Leute spürbar, letztlich auch eine tiefversteckte moralische Utopie. So, wie er sie selbst gerne erlebt hätte?
Herbert Zeman: Johann Nepomuk Nestroy
Holzhausen Verlag, Wien 2001
354 S. – 29 €
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