wie komm ich zum gedicht?

Lesung mit Norbert Hummelt, Gedichte, Essay

noch stundenlang blieb mir der klang im ohr
der worte, fein gesetzt, in freien versen, jamben,
daktylen, die bedeutung sahen, zunächst, bevor
sie wissen wollten, warum der autor alles klein schreibt,
den rhythmus u. das rauschen u. dinge sieht u. nichts
dahinter u. leute sieht u. nichts dahinter, sie sind am
fragen, all die worte, u. was soll er sagen, er
schreibt gedichte nur, erstaunt, lebendig, „so daß ich aufgelöst
nicht mehr wie vorher bin“, voll wahrnehmung, denn:
„gerade im zeitalter der flüchtigkeit von bildern ist lyrik
wichtig“, auch hier im halbdunkel im kerzenlicht
u. zwischen zwanzig literaturstudenten, zwei bis drei
lehrkräften u. einer netten bibliothekarin, die hören wollen oder
hören, die stühle locker in den raum gruppiert: „zur arbeit an
gedichten gehört auch die lektüre von anderen
gedichten“, die übersetzung auch, von eliot, sie auch, gehört
zur arbeit, u. ein essay, poetologisch („ich ging das erste mal
in ein bild“), er auch, kann ebenfalls dazu gehören: denn
von dem bilderlebnis geht bewegung aus, von da aus
schreibt es sich, u. schreiben ist die weise, sich
über dinge klar zu werden – u. viele haben gerne
zugehört, u. lyrisch wars, gleichwohl: was ist mit der
„tendenz zur prosa“?, u. „sind sie völlig gattungssicher?“
– er schreibt gedichte nur, so wird es bleiben, voll
wahrnehmung, es gibt erzählimpulse, doch geht noch alles
ins gedicht hinein, erzählen weitet nur, er wird gedichte weiter
schreiben u. liest noch einige aus seinem band
erzählgedichte „zeichen im schnee“ mit weichen flimmernden
erinnerungen: „da war der horizont um meinen hals gewickelt“,
„du bist so weit auf einmal weg in meinem arm“, u.
„déj? vu“ hab ich vergessen, weil dieser titel mich an anderes
erinnerte, u. hörte noch, das eßbare in den gedichten
von hummelt sei nicht programmatisch, u. daß er
„und“ aus vielen Gründen kürze, u. schön wars
auch u. stundenlang noch kam ich fremd mir vor, hier
war ich mal, gleichwohl, das ists gewesen.

Lesung mit Norbert Hummelt, Gedichte, Essay
10. April 2002, Deutsches Literaturinstitut

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