Beginn der Filmreihe „American Outlaw Cinema: Music, Sex and War” (Roland Leithäuser)

Filmkunsthaus naTo, Montag, 29. April 2002
American Outlaw Cinema I: Oh, wie schön ist Common Sense!
Beginn der Filmreihe „American Outlaw Cinema: Music, Sex and War“

Jack Stevenson steht etwas verloren auf der Bühne vor der kleinen Leinwand, das Publikum erwartet gespannt seine Ausführungen zum Thema „Amerikanischer Propagandafilm“. Am ersten Abend der Filmreihe in der naTo geht es um Kurzfilme, Werbespots und Aufklärungsmaterial, das unter Leitung des amerikanischen Verteidigungsministeriums in den Jahren 1946-62 an der erneuten geistigen Mobilmachung des amerikanischen Volkes und seiner Soldaten arbeitete, obschon der 2. Weltkrieg gerade einmal wenige Jahre zurücklag.

Der thematische Schwerpunkt von „Duck and Cover: American Military Propaganda for Soldiers and Civilians“ liegt dann auch konsequenterweise in der Beschwörung neuer Feindbilder, ergo der „roten Gefahr“, des kommunistischen Ostblocks. In seiner kurzen Einführung gebraucht Stevenson, ein in Dänemark lebender, amerikanischer Filmhistoriker und -kritiker, mehr als einmal den Terminus „absurd“, gleichbedeutend im Englischen und Deutschen. Durchgängig absurd seien diese Filme in ihrer Machart und Botschaft, mitunter von bizarrer Darstellung und grotesker Herrschaftslogik.

Der erste Film des Abends darf als Paradebeispiel für solch eine Kategorisierung angesehen werden: „ur Job in Germany“ (1946) von Robert Capra soll die GI’s mental auf ihre Aufgaben im okkupierten Westdeutschland vorbereiten. Dabei gilt die Faustregel: „Never trust a German!“ Der Film, etwa 15 Minuten lang, erzählt im Schnellverfahren die deutsche Geschichte anhand ihrer Führer (Bismarck, Wilhelm II., Hitler) und unterwirft die Geschichtsschreibung dabei einem Determinismus, der die Geschichte der Deutschen als stetiges Wechselspiel von Krieg und Frieden interpretiert. Amerikanische Soldaten werden aufgefordert, sich unter keinerlei Umständen mit dem besiegten Volk einzulassen, auch nicht mit seinen harm- und schutzlos wirkenden Frauen und Kindern.

Der Film sorgt für zahlreiche Lacher im Publikum. Man weiß, daß die Wirklichkeit im Amerikanischen Sektor ganz anders aussah. Wenn nicht aus eigener Anschauung, dann immerhin aus zahlreichen Filmen (u.a. von R.W. Fassbinder) zu diesem Thema. Ähnlich grotesk wirkt die Fortsetzung dieses Sujets, diesmal unter dem Titel „Our Job in Japan“. Festzustellen bleibt, daß hier das japanische Volk im Gegensatz zum deutschen in Capras Film vom Vorwurf der Kollektivschuld ausgenommen wird, statt dessen sucht man die Ursachen im Shintoismus und dem damit verbundenen Herrscherwahn der führenden Kasten. Beide Filme, und auch das ist bemerkenswert, sind noch weitgehend freigehalten von antikommunistischer Propaganda.

Diese kommt allerdings in den nun folgenden Filmen massiv zum Einsatz: „Communism comes to China“ erzählt die Geschichte der kommunistischen Revolution unter Mao, ohne dabei historische Fakten eingehend zu würdigen. Konstatiert wird lediglich die Undankbarkeit des chinesischen Volkes, welches, von den Amerikanern nach japanischer Besetzung befreit und volkswirtschaftlich behutsam kolonialisiert, die Vorzüge der westlichen Lebensweise lieber gegen die Doktrin des Kollektivs eingetauscht habe und somit in einen quasiprimitiven Gesellschaftszustand zurückgefallen sei. Das wird mit einer Ernsthaftigkeit vorgetragen, daß das Publikum vor Gelächter kaum noch zur Ruhe kommt.

Vergessen werden sollte dabei aber nicht, daß solche Geschichtsdarstellungen auch bei jüngsten militärischen und karitativen Einsätzen unter Führung der USA scheinbar nichts von ihrer Überzeugungskraft verloren haben. Es sind einfache Erklärungsmodelle, eine Aufteilung der Welt in Gut und Böse, die uns auch heute nicht allzu fern ist. Ein deutscher BKA-Beamter läßt sich anschließend in „Germany: Red Spy Target“ über die Infiltrationsversuche kommunistischer Spione im bundesrepublikanischen Deutschland aus, und spätestens hier wird deutlich: Der neue Feind kommt von Osten. Radebrechend berichtet der Beamte auf englisch über die perfiden Methoden russischer Spione, und die Intention des Filmes ist vor allem: Seht her, die Deutschen (zumindest der überwiegende Teil) haben von uns Amerikanern gelernt. Überhaupt ließe sich dem zweiten Teil dieses Filmabends getrost das Motto voranstellen: „Von Amerika lernen heißt siegen lernen!“

Zwei kurze Beiträge aus dem Kuriositätenkabinett zeigen dann auf zynische Art und Weise die konsequente Volksverdammung durch die propagandistischen Filmindustrie. „Survival under Atomic Attack“ bietet nützliche Ratschläge, um im Fall eines atomaren Erstschlages gewappnet zu sein und sich keinem Risiko auszusetzen. Überhaupt, bemerkt der Sprecher aus dem Off, seien die körperlichen Beeinträchtigungen, ausgelöst durch eine Atombombe, durch Medikamente zu heilen; auch nachfolgende Generationen seien in ihrer Gesundheit nicht auffällig.
Das Lachen ob solch einer offenkundigen Irreführung der Öffentlichkeit erhält eine makabre Note durch die Bemerkung des Sprechers, die Einwohner von Hiroshima und Nagasaki hätten sich vor Tod und Leid durch die Atombombe schützen können, wären sie mit den Sicherheitsstandards der Amerikaner vertraut gewesen. Zynischer kann Propaganda wohl kaum sein.

Ein anschließender, vierminütiger Werbespot für Frühstückszerealien entlarvt das Zusammenspiel von Marketing und Propaganda, den Warencharakter von Krieg und Zerstörung. In jeder Packung „Wheat Cereals“ findet der Käufer ein Bild im Fotoformat, daß ihn über die neuesten Errungenschaften amerikanischer Kriegstechnik informiert. Panzer, Flugzeugträger, U-Boote. Als angenehmer Nebeneffekt stellt sich nach dem Genuß der Weizenprodukte eine deutliche Stärkung der Leistungsfähigkeit ein. Heute Weizen zum Frühstück, morgen im Einsatz für die Weltmacht USA.

Zum Abschluß des ersten Programms der Filmreihe gibt es für 25 Minuten einen Hauch von großem amerikanischen Kino. Ein Produkt der Warner Bros., deren Einsatz für amerikanische Kriegspropaganda in den vergangenen Jahren endlich angemessen dokumentiert wurde, ist „The Red Nightmare“ mit James Kelly. Zur Hochzeit des McCarthyism entwirft der Film die Fiktion einer von kommunistischen Brigaden besetzten Kleinstadt irgendwo in den USA. Der Familienvater Jerry Donovan träumt des Nachts von der Verwandlung seines Heimatortes in eine „rote“ Kommune: Seine Kinder denunzieren ihn, seine Frau rückt von ihm ab, die örtliche Kirche wird kurzerhand zum Museum für Sowjetische Erfindungen umfunktioniert. Der Kampf Donovans gegen das menschenverachtende System endet im Traum mit seiner Verurteilung und Hinrichtung.

Als filmisches Lehrstück über „family values“ und liberalistische Grundprinzipien nimmt Donovan den Traum zum Anlaß, sich stärker als bisher seinen demokratischen Rechten und Pflichten zu widmen. Der erhobene Zeigefinger im Film fordert nichts anderes: Bekämpft den Kommunismus, schützt die Familie. Ein groteskes Stück Filmgeschichte, das diesen ersten Teil der Reihe auf gelungene Art und Weise abrundet.(Roland Leithäuser)

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