Fotoausstellung: EAST (Arndt Lorenz)

14. Mai 2002, Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig

Fotoausstellung: EAST

Bilder (von oben nach unten):

Matthias Hoch.
Leipzig-Reudnitz:Harnackstraße, 1989

Hans-Christian Schink.
G. Zlotykamin: Leipzig, Karlstraße, 1992

Sigrid Schütze-Rodemann.
Halle: Jugendstilhaus „Döll“, neben „Urania 70“, 1987


?eastingfzk?

Hinter diesem Buchstabensalat verbirgt sich die Ausstellung ?east? in der Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig. Wo ?Englisches? draufsteht, ist allerdings ?Deutsches? drin: ?east? zeigt ostdeutsche Fotografie aus der Sammlung der VNG Verbundnetz Gas AG. Das Unternehmen begann 1992, seine Foto- Sammlung aufzubauen, ursprünglich, um die Veränderungen in Ostdeutschland dokumentieren zu können.

Angekauft wurden Werke junger Fotografen: Max Baumann, Matthias Hoch, Frank- Heinrich Müller und Thomas Wolf. In den folgenden Jahren kamen Arbeiten von Evelyn Richter, Marion Wenzel, Erasmus Schröter, Ulrich Wüst dazu. Aber auch Fotos von Hermann Walter mit Leipziger Stadtansichten aus dem 20. Jahrhundert beherbergt die Sammlung.

Zu sehen ist in ?east? fast ausschließlich menschenleere Infrastruktur, also Architekturfotografie im weitesten Sinne. In den ersten Jahren kauften die Sammler der Verbundnetz Gas AG vor allem Fotos an, die abgewrackte Orte, tote Fabrikanlagen, aufgegebene Plätze und Tagebaulandschaften zeigen. Die Fotografen lichteten leere Bahnhöfe, verrostete Masten, vergammelte Fassaden oder verlassene Straßenauffahrten ab. Erst später kamen verstärkt ästhetisch orientierte Ansichten von Neuentstandenem dazu. Die mehreren hundert Arbeiten sollen, so die Ausstellungskuratoren ?Geschichten erzählen, genau diese narrative Qualität unterscheidet sie von einer Dokumentarfotografie, die Emotionen ausblenden will?.

Ob dies allerdings mit dieser Auswahl gelungen ist, bleibt umstritten. Die quantitative Masse der abgelichteten Orte und Plätze ermüdet schnell den Blick des Betrachters. Nach dem fünfzigsten Foto mit Ansichten von morbiden oder sanierten Gebäuden und Anlagen ist dann doch jede erdenkliche Geschichte von visueller Veränderung, Wertewandel und Geschichtstilgung erschöpfend erzählt.

Bevor die Besucher in die Ausstellung im ersten Stock gelangen, wird noch einmal anhand einer topographischen Karte an der Wand im Treppenhaus dem letzten Ignoranten deutlich gemacht, dass die fotografierten Orte auch wirklich in Ostdeutschland liegen. Kleine Pünktchen mit Ortsnamen lassen erahnen, wo beispielsweise das Örtchen Goldenbow liegen könnte.

Die Ausstellung selbst wird dann im modischen, zur Zeit im musealen Bereich inflationär genutzten Gewand eines Archivs oder Bilderdepots präsentiert. Ausstellungsdesigner Tom Unverzagt verwendet dazu die Inventarnummern der Sammlung. An den Wänden erscheinen zwischen den für ?east? ausgewählten Fotos auch die Ziffern der nichtausgestellten Werke, alles in chronologischer Reihenfolge. Am Ende ist der Besucher bei Nummer 625 angekommen. Soviel Werke enthält nämlich die Sammlung der Verbundnetz AG momentan. Unterbrochen wird die visuell vordergründige Inventarisierung lediglich durch Zitate der ostdeutschen Fotografengruppe. Leider fehlen jegliche Quellenangaben. Die Sprüche kommen teilweise lapidar daher: ?Wir wussten, die Welt in der wir lebten, würde nicht so bleiben. Dinge verschwinden, wenn man an einen Ort zurückkam, um zu fotografieren, war das Motiv schon verschwunden… man sagte uns in Bitterfeld, wir sollten nach vorn schauen, nicht zurück.?

Das Ausstellungsdesign gliedert die Fotografien in drei zeitliche Epochen: 1992 bis 1994, 1994- 1997 und 1998 bis 2000. Gemeint sind mit den Zäsuren verschiedene Ankaufsprojekte der Verbundnetz Gas AG. Diese Unterteilung ist aber für die Ausstellungsstruktur unerheblich, weil die in den Zeiträumen erworbenen Fotografien aus unterschiedlichsten Perioden stammen. Wozu also diese Gliederung? Die Titel und Autorennamen der Fotografien wurden übrigens seitlich am Rahmen aufgedruckt. Schade, dass nur wenige Informationen zu den Fotografen selbst zu finden sind.

Grundsätzlich ist das Engagement der Verbundnetz Gas AG für den Aufbau dieser Fotosammlung zu loben, lässt doch ansonsten die Kunst- und Kulturförderung von Unternehmen in Ostdeutschland viel zu wünschen übrig. Der Schwerpunkt dieser Fotosammlung liegt auf dem Sichtbarmachen des industriellen Wandels in Ostdeutschland. Zu wünschen wäre, in einem künftigen Projekt einmal die Veränderungen der Menschen selbst zu dokumentieren. Dies würde der Sammlung möglicherweise eine interessante Facette hinzufügen.

Noch eine Anmerkung: auf der unübersichtlichen und teilweise unaktuellen Website der Galerie für Zeitgenössische Kunst ist eine Recherche zu Veranstaltungen und zum aktuellen Ausstellungsprogramm sehr mühsam. Zu ?east? gibt es momentan überhaupt keine Informationen.

(Arndt Lorenz)

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