Volker Ebersbach spricht zum 200. Geburtstag Kügelgens
Wilhelm von Kügelgen (1802-1867), Hofmaler und Memoirenschreiber, ist so wenig bekannt, dass sich zu Kügelgen nicht eine einzige Interneteintragung finden lässt. Sein 200. Geburtstag soll Anlass sein, ihn wieder ins Gespräch zu bringen, als aufgeklärt-beherzten Chronisten des 19. Jahrhunderts.
In der Reihe „Zweitbegabungen“ gab es am 15. Mai im Haus des Buches gleich zwei Begabte zu bewundern. Im ersten Teil des Abends stellte Volker Ebersbach (Bernburg) das Leben und Werk Wilhelm von Kügelgens vor. Gleichzeitig war ein Herr mit rotem Schal und schwarzen Hut am Werke und karikierte den Vortragenden und das Publikum. Nach einer Pause kam dann eben dieser „moderne Hofmaler“, der Leipziger Cartoonist Ulrich Forchner, zum Zuge und wurde erst per Video, dann im (mitunter etwas rührseligen) Gespräch vorgestellt.
„Hier reichte die Malerei der Literatur hilfreich die Hand“, hieß es über Puschkin, der sich nach Beendigung eines dicken Romans damit vergnügte, die Umrisse einer (dünnen?) Frau aufs Papier zu bringen. Ob sich bei der Veranstaltung der freien Literaturförderung auch zwei Themen glücklich die Hand gaben oder mehr an den Haaren zueinander geführt wurden?
Löblich ist in jedem Fall das Engagement für Wilhelm von Kügelgen, dessen Buch Jugenderinnerungen eines alten Mannes in über siebzig Auflagen erschien und lange Zeit in jeden gutbürgerlichen Bücherschrank gehörte (und vorher vorgelesen wurde). Zu DDR-Zeiten zu unrecht als reaktionär eingestuft, geriet er etwas in Vergessenheit; nicht aber für Leser in Mitteldeutschland, die an den Schauplätzen seiner Memoiren lebten und die Straßen und Plätze kennen, wie Kügelgen sie kannte – nur eben viele Jahrzehnte früher.
In Dresden wuchs Kügelgen im jetzigen Romantikerhaus in der Hauptstraße auf. Im Haus des Vaters, dem als Maler berühmteren Gerhard von Kügelgen, gingen die Persönlichkeiten der Zeit ein und aus. Über Bernburg und kürzere Auslandsaufenthalte führte der Weg Wilhelm von Kügelgens (inzwischen als Familienvater in Sorge um das Einkommen) in das anhaltinische Residenzstädtchen Ballenstedt, wo er als Hofmaler und Kammerherr bis zu seinem Tode lebte – in ständigem Hader mit der kleinkarierten Hofgesellschaft.
Vieles Interessante aus seiner Biografie gäbe es zu erzählen (so wie es auch der Vortragende tat), interessanter ist es jedoch, seine Memoiren und Briefe im erfrischend schlichten, witzigen und zynischen Original zu lesen. Künstlerkonflikte, eine Moral ohne Gott, Gefangenschaft im eigenen Temperament, in der Gesellschaft – diese Themen machen Kügelgens Werk lesenswert. Seine Anekdoten mit viel Lokalkolorit sind von leichter Hand geschrieben. Einen mitteldeutschen Schriftsteller gilt es wiederzuentdecken, hier und über kleinkarierte Grenzen hinaus.
Reihe „Zweitbegabungen“
Vortrag von Volker Ebersbach zum 200. Geburtstag Kügelgens
Gespräch mit Ulrich Forchner
Moderation: Steffen Mohr
Zeichnung: Ulrich Forchner
15. Mai, Haus des Buches
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