Sieben Gedichte und ein Prolog (1)
Dem Regen zuhören, und alles, was ich tun könnte, unterlassen. Die Unterlassung des Schreibens ist eine Voraussetzung, um zum Wort zu kommen. Ich empfinde mich nicht als Medium, wenn ich schreibe. Ich notiere Zwiegespräche auf den Brücken der Zeit, wo sich das Gegenwärtige in das Vergangene und das Vergangene in das Künftige wandelt. Wandlungen, die subtil und weitreichend sind – jeder Versuch der Beschreibung ist Lösung und Bindung zugleich…. Das Ich ist dabei eine Chiffre für den Anderen, der potentiell Ich ist. Ich ist der Zirkel, mit dem der Erfahrungsradius bestimmt wird, und die einzige konstante Richtgröße dabei ist die Authentizität der Äußerung. Die authentische Äußerung wäre niemals Poesie, wenn sie nicht die Ursprünglichkeit des Seins zum Ziel hätte – irgendwo zwischen dem vergänglichen Augenblick eines begrenzten Lebens und dem ewigen Pulsieren einer sich fortwährend erneuernden Schöpfung liegt das Brennglas, das den Logos auf der einen Seite verkleinert zur subjektiven Sprache und auf der anderen Seite die subjektive Sprache wie trocknes Stroh entflammt. Funken ersten Lichtes, deren Bestimmung nicht die Erleuchtung ist, sondern der Brand: Der Brand ist das eigentliche Nest des Phönix.
Wer das Wort sucht, muß das Verstummen nicht fürchten. Verstummen ist eine Gnade, die denen zuteil wird, die gefunden worden sind. Vielleicht würde ich jetzt lieber an einem Gedicht arbeiten – aber ich kann nicht an einem Gedicht arbeiten, nur weil ich es gern möchte: ich kann es nur, wenn mich das Wort braucht, wenn mich das Gedicht will. Das Gedicht ist ein Zwischenraum, in dem kein Bleiben ist, und trotzdem wäre ohne diesen Zwischenraum für mich kein Bleiben.
Das Gedicht ist Ware und Händler in einem. Es ist mir nicht möglich, Sprache zu sezieren, denn wie könnte ich einem atmenden Körper mit einem Messer zu Leibe rücken, und sei es nur mit einer semantischen Klinge? Ich kann als Dichter Sprache nicht einmal benutzen; es sei denn, mir gelingt das Kunststück, Eier ohne Wasser zu kochen. Sprache ist für mich Lebensgrund und jener Todeshorizont, von dem die Gedanken zurückhallen und Ortung ermöglichen. Im idealen Fall variiert ein Gedicht diesen Spannungsbogen, im Falle eines fatalen Mißlingens handelt es sich um verbale Saugreflexe.
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