Ungewogene Wege

Sieben Gedichte und ein Prolog (7)

Nach Colditz wollte ich gehen,
die Mulde bei Kössern zu queren.
Dort hätte ich einkehren können:
die alten Tore der Wälder standen
offen und Apfelbäume Spalier

für Wiprecht von Groitzsch,
der mit Svantewit würfelte
um eine rostige Rüstung samt
dem Kloster Pegau als Dreingabe.

Nach Leisnig wollte ich gehen,
in der Schule des Porphyr das Alphabet
der Geduld zu lernen. Auf dem Weg
Rast bei Sermuth, wo Mulde in Mulde
mündet.

Nach Hause wollte ich gehen,
Wege Schritt zu Schritt feiernd.
Aber ich hielt inne, geblendet
vom Besserwissen: verödet
lagen Stellplätze und Fluchtwege,
Spiegelpunkte einstigen Dunkels,
kaschiert von Gewerbeparks.

In den verbliebenen Erlen wohnten
die Kobolde meiner Kindheit,
aßen schwarzen Holunder und spuckten
von Zeit zu Zeit heiße Asche und Rauch.
Ich hörte das leise Knacken meiner Knochen
im Feuer. Was geht meine Wege?

Die Wege fanden mich nicht, denn ich
hatte ihnen nichts hinzuzufügen, keine Spur
von Freude, nichts Schwebendes, das sie leichter
gemacht hätte.

Mein Gelächter wollte ich den Wegen ersparen,
auch das schollenklamme Schweigen, erlernt
von den Stoppelfeldern meiner Kindheit, als
geschnittene Halme aus meinen nackten Füßen
Schwingen aus Schmerz machten.

Wege: ein Erbe der Händler von Uruk. Orte:
Kondensat aus ihrem Mund. Blieb ich Zuhause,
fühlte ich mich irre werden an den Wegen.

Ich bestieg geodäthische Türme, um die Risse
in meiner Herkunft zu erkennen: Was ich fand,
war Schlaf. Schlaf, der Tage bewohnbar machte.

Einmal träumte ich, Maria singt mein Leben vom Blatt.
Sah ich mich unterwegs in einer Hutschachtel, verstaut
im Kofferraum. Träumte abgründige Portraits, vom Regen
in Wälder gezeichnet. Träumte, der Fahrtwind höbe Masken
ab, legte ein Geflecht von Kapillaren frei, und Straßengräben
füllten sich mit Pappnasen.

Ich erwachte auf dem Weg nach Grechwitz, einer
Einbahnstraße des Lichts. Wohin wollte ich?

Der Weg drängte die denkbaren Ziele ab in den Schritt.
Ich schaute auf, sah den roten Milan kreisen und mich
gefangen in einem Netz aus Kreuzungen.


Homepage von Radjo Monk

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