Maren Strack „muddclubsolo” (Katharina Winkler)

Maren Strack (Deutschland)

?muddclubsolo?

am 14.06.2002 im LOFFT

Choreographie/Performance: Maren Strack
Idee: Johann Lorbeer
Geräusche: Max Bauer

(Foto: Lofft)


Im Unterholz der Weiblichkeit

Beim zögerlichen Betreten des verdunkelten Theaterraumes fällt mein Blick sofort auf IHRE Gestalt im überdimensionalen ROT. Die Mitte des schwarzen Karrees betonend, hängt (!) Maren Strack, wie es scheint, am eigenen Haarschopf. Puppenhaft, gleichzeitig wie eine Statue wirkend, verfolgt sie mit ihrem starren Gesicht und sanften, vorsichtigen Drehungen um die eigene Achse, die neugierigen Zuschauer, die langsam hereinkommen, nach und nach die Situation begreifen und letztlich feststellen, dass ihr persönliches Bewegen im theatralen Raum bereits zur Konzeption des Abends gehören.

Wir, die Gäste, werden quasi ins Geschehen integriert. Der Lichtkegel verstärkt die Konzentration auf die mittig hängende ?Frau? und nach dem ?Platznehmen? an diversen Orten beginnt das Betrachten: Zu Füßen der Künstlerin ist eine artifizielle Naturlandschaft in Miniformat installiert. Erkennbar sind zwei kreisförmig angelegte ?Wassertümpel?, die mit Dreck, Schlamm und Abfällen (Zigarettenschachteln und Bierbüchsen) aus unserer heutigen Zivilisation umrandet sind. Aus einer ebenfalls in der Luft hängenden Flasche tropft monoton und im gleich bleibenden Rhythmus Wasser in die Seeatrappe. Am linken Rand des Arrangements steht ein Mann, der Geräusche produziert, die nach Natur klingen, jedoch (wie dem Publikum unverborgen vorgeführt wird) ebenfalls nur künstlich hergestellt werden. Max Bauer plätschert vor einem Mikrophon in einem Wasserbecken und gestaltet mit seinen Händen virtuose Wassertropfentöne.

Maren Strack trägt einen riesigen Barock-anmutenden Rock und gibt auf diese Art die DIVA. Der Rock im tiefen Rot ist aus Gore-tex, eigentlich ein Standard-Iglu-Zelt, wie wir es alle vom Camping-Platz kennen.

Maren Strack spielt mit den Konnotationen von Weiblichkeit. Die feminine Silhouette ist bewusst überdeutlich geformt: Dekolleté, Taille und ein gigantischer Unterbau, dessen noch verborgenes Innenleben nun, am Beginn der Performance, eröffnet wird. Der Rock wird ?geschürzt?, dem ?Unterholz? der Schleier entzogen. Es geht quasi der Vorhang (das klassischste Theaterutensil schlechthin) auf und bietet nun den Zuschauerblicken vollkommen freie Einsicht auf den eigentlichen Ort des Spektakels: dem Theater der tanzenden Gummistiefel, dem wilden Flamenco im Matsch.

Als ein Artefakt der Weiblichkeit, als triumphierendes Bild der ?grande dame der Natur?, die die Schnüre des Spektakels zieht und steuert, hebt Maren Strack den Vorhang auf einen ?Gummistiefeltanz? im matschigen Tümpelnass. Ihr unteres Innenleben fungiert als eine (Mini)Bühne auf der Bühne. (Faszinierend, wie die Künstlerin mit simplen Mitteln die verdoppelte Theatersituation etabliert.)

Der wilde Flamenco im ?mudd? (engl., Matsch) wird von einem Paar tanzender Stiefel ausgeführt, die zuvor aus dem weiblichen ?Unterbau? entwachsen sind und als gedachte Verlängerung der unteren Gliedmaße/Beine, auch einen Akt der körperlichen Zerlegung demonstrieren. Scheinbar losgelöst vom Tänzerinnenkörper agieren sie im ?Freien? obwohl sie immer noch von der zentralen Mitte (dem weiblichen Corpus) gesteuert werden.
Die Grenzen zwischen ?Zerlegung? und ?Zusammengesetztsein? verlaufen also fließend – als vertiefter Zuschauer löst man sich vom ?Überbau?, weil man auf das Detail konzentriert ist.

Maren Stracks Performance ist zugleich Installation und ihre Installation ist Performance. Als Künstlerin bewegt sie sich zwischen Bildhauerei und Tanz und nutzt als ?Ausgangsmaterial? ihrer Arbeit ihren eigenen Körper. Ihr Körper als bloßes Material in verlockende Form und Positur gepackt, hebt die eigene Schwerkraft auf, verstößt anscheinend gegen die Gesetze der Physik und inszeniert gleichzeitig die Abhängigkeit des Körpers an das integrierte technische Beiwerk, hier ganz besonders als die Abhängigkeit des ?Aufgehängtseins?. Bewegungsabläufe sind strikt an die Konstruktion gebunden. Abhängigkeit entsteht. Freiheit wird illusorisch vorgegaukelt.

Das Spannende an der kurzen, klaren Performance Maren Stracks ist der Prozess der Zusammensetzung. Aus Bewegung, Requisiten, Geräuschen und ihrer ironisch-wirkenden Mimik, die zudem Distanz zum ?happening? verrät, baut sie ein Mosaik an ?Geschichten?, die freien Raum für Assoziationen in den Köpfen der Zuschauer lassen. Schicht für Schicht entblättert oder in Gegenbewegung, Schicht für Schicht zusammengesetzt, erwächst die ?story?.

Somit verlässt die Künstlerin die klassische Konvention des traditionellen, ?verborgenen? Theaterraumes und eröffnet eine neue Sichtweise, die an das japanische ?Bunraku-Theater? erinnert, in dem Sprache, Musik, Gestik etc., im Nebeneinander produziert, erst in der Phantasie des Publikums zu einer ganzen Geschichte verschmelzen.

Maren Stracks gelungene Aktion dauerte knappe 30 Minuten. Eine großartige Idee von enormer Kreativität und ironischer Kühle, die anzusehen unglaublich Spaß machte!

(Katharina Winkler)

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