Carlo Goldoni „Krach in Chiozza”, Premiere (Ian Sober)

15.06.2002 Gohliser Schlößchen (Schauspielhaus)

Carlo Goldoni ?Krach in Chiozza? (Premiere)
(Le baruffe chiozzotte)
Aus dem Italienischen von Uwe Schuster

Padron ToniOlaf Burmeister
Madonna PasquaSusanne Böwe
LuciettaConstanze Becker
Titta NaneAurel Manthei
BeppoStefan Kaminski
Padron FortunatoChristoph Hohmann
Madonna LiberaBettina Riebesel
OrsettaLilli Jung
CheccaAnja Schneider
ToffoloPatrick Imhof
IsidoroMichael Schrodt
CanocchiaSebastian Hubel

RegieWolfgang Engel
BühneHorst Vogelgesang
KostümeKatja Schröder
Musikalische EinrichtungJens-Uwe Günther
DramaturgieMichael Raab

(Fotos: Rolf Arnold)


Höllensturm der zankenden Weiber

Drei Frauen kommen auf einen Mann in Chiozza. Und die Männer sind obendrein noch monatelang auf See zum Fischen. Da sehen wir also die weiblichen Mitglieder zweier Familien vor ihren Häusern sitzen und klöppeln, klatschen und tratschen, bis Toffolo, genannt das Murmeltier, sie klampfenderweise betören kommt (Patrick Imhof gibt sehr schön den schleimigen Provinz-Elvis). Daß er mit Orsetta, der Verlobten von Beppo, schwätzt und Lucietta, der Verlobten von Titta Nane, geröstete Kürbisscheiben bezahlt, reicht aus, um zu einem handfesten Krach zu führen. Denn kaum sind die Männer zurück, rückt Lucietta Orsetta gegenüber ihrem Bruder Beppo in ein schiefes Licht, während die jüngere Schwester von Orsetta Lucietta bei deren Velobten anschwärzt, da sie auf diesen selber ein Auge geworfen hat…

An diesem Abend mußte man sich immerhin gegen Nigel Kennedy und Bobby McFerrin durchsetzen. Das Wetter entschied sich zum Glück in letzter Minute, doch noch mitzuspielen. Schließlich ist es die entscheidende Zutat für einen gelungenen Sommertheaterabend, neben einem atmosphärischem Veranstaltungsort wie dem Gohliser Schlößchen, einem auf leichte Weise unterhaltendem Stück und Schauspielern, die dem Affen an geeigneter Stelle Zucker geben. Dem Ensemble läßt sich diesbezüglich kein Vorwurf machen, und auch Goldonis Stück von 1762 wird man nicht gerade der Kopflastigkeit bezichtigen können. Wolfgang Engel inszeniert geradezu und ohne Hintergedanken, die Grenze zwischen Ironie und Klamauk wird ein wenig in Richtung letzterem überschritten. Und das Publikum wird vor Beginn mit den (leider ungerösteten) Kürbisscheiben gefüttert und hat sichtlich Spaß.

Es gibt ja auch einiges an chaotischen Situationen zu bestaunen, besonderer Publikumsliebling ist da eine tumultuöse Wasserschlacht der waschenden Weiber am auf die Bühne gezauberten Wassergraben. Daß bei all dem Durcheinander jemand den Überblick bewahrt und am Ende die Paare glücklich zusammenführt, grenzt jedenfalls an ein Wunder. Diese Aufgabe wird dem Koadjutor der Gerichtskanzlei (Michael Schrodt als entnervter Choleriker) zuteil, dessen Motivation bei der Sache offenbar zwielichtiger Natur ist. Der unbedarfte Zuschauer mag das bestreiten. Dem Happyend würde es jedenfalls einen gewissen Zynismus verleihen.

Es gibt ein grundlegendes Problem bei so einer Goldoni-Inszenierung: Die deutsche Sprache besitzt einfach weniger Leichtigkeit und Geschwindigkeit. Das wird versucht zu lindern, durch die auf italienisch gesungenen Lieder und bisweilen eingestreute Wendungen in Originalsprache. Eines der Familienoberhäupter, Fischer seines Zeichens, spricht bei Goldoni einen allen unverständlichen Kauderwelsch-Dialekt. Auf deutsch gelingt die Figur zwar auch sehr komisch (Christoph Hohmann spielt Padron Fortunato), bleibt aber jederzeit gut verständlich, so daß man sich über die anderslautenden Beteuerungen seiner verschiedenen Gegenüber eher wundert. Und die mit der temperamentvollen Sprache einhergehende Aktion auf der Bühne gewänne durchs Pantomimische ganz sicher noch hinzu. Doch eine solche Stilisierung wird gar nicht erst versucht. Wenn Giorgio Strehler mit Elementen der Commedia dell‘ arte spielte, dann geht es bei Wolfgang Engel doch mehr in Richtung Ohnsorg-Theater…

(Ian Sober)

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