Händelfestspiele 2002: G. F. Händel „Esther” (Juliette Appold)

Halle, Konzerhalle Ulrichskirche, 15. Juni 2002

Händelfestspiele 2002:
Georg Friedrich Händel: ?Esther? (1. Fassung: ?Haman and Mordecai?)
Masque in sechs Szenen HWV 50a
Libretto: Alexander Pope, unter Mitarbeit von John Arbuthnot

konzertante Aufführung

Esther: Heidrun Kordes, Sopran
Assuerus: Markus Schäfer, Tenor
Haman: Michael Schopper, Baß
Mordecai: Andreas Karasiak, Tenor
Israelitische Frau, Offizier, 1. Israelit: Silke Burt, Sopran
Habdonah, 2. Israelit: Andreas Post, Tenor
Priester (3. Israelit): Meinderd Zwart, Altus
(Bass-Duett im Schlußchor: Peter Pöppel)

Collegium Vocale Gent
La Stagione Frankfurt
Dirigent: Michael Schneider

Aufführung nach der Hallischen-Händel-Ausgabe
Aufführungsort: .


Glänzende Aufführung eines selten gespielten Händel-Werks

Mit der Ouvertüre wird bereits der Ton für den Abend gesetzt: Präzises Zusammenspiel, klare Gestaltung der Musik und liebevolle Momente. Dazu die schön anzusehenden Barock-Instrumente ? Auge und Ohr sind also bereits gut bedient, da macht es dann fast nichts mehr aus, daß die Aufführung konzertant ist. Die ?Masque? wird in Originalsprache (Englisch) vorgetragen. Die Ulrichskirche in Halle ist ausverkauft.

Haman, der mächtigste Mann im Reiche des König Assueraus, will das jüdische Volk vernichten: ?Let Jewish blood dye ev’ry hand, nor age nor sex, I spare? läßt Händel ihn in so ausdrucksvollem, dunklem Ton singen, daß es einem kalt den Rücken herunterläuft. So also klingt bei Händel ein grausamer Herrsche, hier verkörpert von Michael Schopper. Hamans grausames Vorhaben wird vom Chor nachgesungen. Verwunderlich nur, daß die doch recht freundlichen Händel-Töne so brutale Worte untermalen! Ob da schon ein gutes Ende antizipiert wird?

Die Israeliten bleiben ihrem Glauben indes treu, loben den Herrn mit Gesang und Harfenklängen. Mit Silke Burts warmer Sopranstimme kommt diese Zuversicht zum Ausdruck. Schwungvoll, klar und lächelnd sind die Melodien, Koloraturen und hohen Töne, mit denen sie den Raum erfüllen. Andreas Post, als zweiter Israelit, singt Ähnliches, und auch hier hört man, daß der Glaube frei von Ketten und Gefahren ist. Entsprechend klingt seine Stimme: natürlich, weit projektierend, angenehm warm und verständlich. Doch es gibt auch Israeliten, die die Grausamkeit und den Tod kommen sehen. Sie singen deshalb ein Klagelied. Meinderd Zwarts feminine Altus-Stimme paßt sich der Atmosphäre hervorragend an. Im Programmheft gibt es an dieser Stelle ein Accompagnato, das aber nicht zur Aufführung kommt ? ist dieser Text vielleicht zu explizit grausam?

Esther hört von der großen Gefahr, die von Haman ausgeht. Mordecai berichtet ihr davon. Die Worte über Hamans Erlaß, daß jeder Jude fallen solle, ist eindrücklich von Sänger und Instrumenten untermalt. Es ist ein Lamento, denn nur eine Bitte um Gnade vor den König könnte helfen. Doch das Gesetz besagt, daß ein Ungerufener sterben soll. Mit ihrer klaren, sehr fokussierten, leicht verständlichen Stimme bringt Heidrun Kordes den Entschluß Esthers vor: Sie wird vor den König treten, ihn um Gnade bitten. Sie wird sich für das israelische Volk opfern, damit es weiterleben könne.

König Assueraus droht jedem mit dem Tod, der sich ihm unerlaubt nähert. Doch beim Anblick der flehenden Esther wird er schwach vor Liebe. Hinreißend besingt er seine geliebte Esther. Natürlich verschont er sie, denn da wo Liebe ist, wird Gnade walten. Daß er alles für sie tun wird, zeigt das schnelle Air. Darin singt Assuearus, als laufe er von Amor getroffen, um Esther zu Hilfe zu eilen. Als Zuhörer lächelt man, weil seine so klaren, lebhaften und natürlichen Worte der Hilfsbereitschaft so echt klingen, als ob er uns gerade von seiner frisch entdeckten Liebe ? vor Freude schäumend ? erzählen wollte.

Und wie es so kommt, hat Esther es durch ihren Liebreiz, ihre Aufopferungs-Bereitschaft, ihre Unschuld und Güte tatsächlich geschafft, den König und Haman von dem Massaker abzuhalten. Besser noch: Haman bittet nun seinerseits um Gnade, seine zuvor so mächtige, tiefe und Kampf-ansagende Stimme weint nun fast, weil er nun ernsthaft Buße tut. Ende gut, alles gut, der Chor stimmt in den Jubel mit ein, könnt‘ es im wahren Leben doch auch so einfach sein…

(Juliette Appold)

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