Sommertheater der Schauspielstudenten (Anna Kaleri)

29.Juni 2002 Sommertheater der Schauspielstudenten

?Unter Göttern? Premiere


Kalt erwischt und heiß gelacht

Mit Fackeln und Gongschlag begann das letzte Sommertheater der Schauspielstudenten an dem angestammten Ort ? dem romantischen Garten zwischen den beiden Villen, die nur noch bis zu diesem Sommer die Schauspielhochschule beherbergen. Seit 1982, damals auf der Peißnitz-Insel in Halle, füllen die Schauspielstudenten das sogenannte Sommerloch mit eigenen Inszenierungen und kommen damit dem eigenem Bedürfnis nach, schon während ihrer Ausbildung an die Öffentlichkeit zu treten. Neben der klassischen Ausbildung zum Sprechtheater stehen in Leipzig Tanz, Fechten und Gesang traditionell auf dem Lehrplan. Und von allen Künsten kann man beim Sommertheater Kostproben nehmen.

In antiker Manier gab es dieses Jahr erst ein tragisches, dann ein komisches Stück zu sehen, mit reichlich Pädagogik und Katharsis, um die Zuschauer zu läutern und bessere Demokraten aus ihnen zu machen. In dieser Absicht schien jedenfalls allen Ernstes die ?Antigone? von Ralph Oehme inszeniert. Als aufmüpfig-heiteres Wesen (Theresa Scholze), die Tragik des Todes beider Brüder total ausgeblendet, steht Antigone zu ihrer Entscheidung, trotz des Verbotes durch Kreon ihren Bruder zu bestatten, um ihn nicht den Hunden und Aasgeiern auszusetzen. Kreon, obwohl er die Entwicklung vom Despot zum human handelnden Herrscher durchlaufen soll, erscheint von Anfang an Sympathieträger und durch Tim Ehlert eher weich besetzt. Antigones Schwester Ismene erscheint im Kostüm einer angepassten Städterin. Die Einwohner von Theben, die immer zu dem stehen, der die Macht verkörpert, tragen in gleicher Farbe Overalls, die an Uniformen der NS-Zeit erinnern. In einer kraftvollen Choreografie kommen Stäbe zum Einsatz, die zusammengebündelt an den Ursprung des Wortes Faschismus (fascare =bündeln) erinnern. Hervorzuheben: Johannes Geißer, der als Seher Teiresias asiatische Kampfarten vorführt und seinen Körper geschmeidig bewegt ? ein Augenschmaus. Am Schluss der Tragödie sind alle Hauptdarsteller tot. Nur Kreon muss für seine Fehler mit Weiterleben büßen. Nackt geht er von der Bühne in den Wald, aus dem er kam. Eine ausgemergelte Gestalt (die Sorge?), die das ganze Stück begleitete, beerdigt symbolisch die leere Uniform.

Das Zuviel an Moral wurde im zweiten Stück ausgeglichen. Unter der Regie von Alexander Schröder entstand ?Der Frieden? von Aristophanes in seiner pikanten Bearbeitung von Peter Hacks. Das Publikum spaltete sich schon bei den ersten Worten in begeisterte Lacher und solche Zuschauer, die bis zum Schluss des Stückes mit eingefrorenen Gesichtern ausharrten. Der Klamauk begann damit, dass die Friedensgöttin (Nicola Ruf) von Terroristen in Müllsäcke verpackt und abgeschleppt wurde. Trygaios (Moritz Führmann), ein schnauzbärtiger Winzer aus Athen, will zu Zeus aufsteigen, um den Frieden zurückzuholen. Sein Gefährt besteht aus einem sechsbeinigen Mistkäfer. ?Unser Peiniger ist eine sechsbeinige Anspielung, ein Arschkriecher.? Zwei fettgefressene Töchter in Rosa, ein weinsüchtiger Hermes mit geflügelten Schuhen, Witze, die garantiert unter die Gürtellinie trafen (?Pubslikum?, ein silberner Megapenis) ? all das eine Wohltat, die trotz oder gerade wegen der Vulgarität im aristotelischen Sinne reinigend wirkt.

Denn nebenbei werden ernste Themen behandelt. Welchen Preis hat der Frieden? Man muss ihm Opfer bringen. ?Nach allem, was ich liebe, duftest du?, meint der potente Winzer zur Göttin des Friedens, heiratet sie und betreibt die Vereinigung sehr eifrig. Auch seine Untertanen haben zur Arbeit, wie sie in Friedenszeiten nötig ist, keine Lust. Der Waffenkrämer und der Helmschmied sind arbeitslos. Ein Opferritual soll abgehalten werden. Aber wer weiß heute noch, wie man ein Ritual vollzieht, zumal, wenn das Opferschwein wegen Kostenersparnis gestrichen wurde? Um Kontakt zu Zeus aufzunehmen, braucht man einen Dolmetscher mit Brecht-Brille. Die Kriegstreiber marschieren wieder auf. Doch die Friedensgöttin bezirzt sie mit ?Com´on, baby, light my fire? auf Altgriechisch.

Make love, not war- ein bisschen vielschichtiger als diese Schlussbotschaft ist das Stück glücklicherweise gelungen. Ohne moralischen Krampf wurde ein immerwährendes Thema aus dem antiken Umhang geholt und mit profan-bunten Latzhosen greifbar und umwerfend komisch inszeniert. Schauspielerisch und choreografisch ? wie auch das erste Stück ? eine durchaus professionelle Aufführung. Im Publikum begeisterter Beifall. Nur wenige Zuschauer haben an diesem kühlen Abend gefroren, weil sie sich mit dieser Art des Humors gar nicht erwärmen konnten.

(Anna Kaleri)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.