„Gizelle”, Tanzstück von Xavier Le Roy (Katrine Pappritz)

18. Juli 2002, Lofft

?Giszelle?
Choreographie: Xavier Le Roy
Getanzt von Eszter Salamon
(beide zur Zeit in Berlin)


Vertanzte Realität

Der Molekularbiologe Le Roy, der erst spät zum Tanz wechselte, beschäftigt sich in seinem für das ?Festival d’Avignon 2001? geschaffenen Stück ?Giszelle? mit den offensichtlichen und den verdrängten Seiten des Lebens. Das drückt sich schon in der Anlage des ganzen Stückes aus: Dem ersten Teil und ?eigentlichen? Stück folgen in einem zweiten Teil die verworfenen Elemente. Diese wirken wie eine Ansammlung von Bruchstücken, die herausgenommen wurden, um das einheitliche Bild nicht zu zerstören.

Doch die Realität des Ganzen, ob nun eines Tanzstücks oder des Lebens selbst, entspricht nicht einem einheitlichen Bild. Das Stück ?Giszelle? erweist sich als Beispiel konkreter Realität. Im ersten Teil steht die Verwendung von stereotypen und symbolischen Gesten im Mittelpunkt, die durch die klare und detaillierte Körpersprache der Tänzerin Eszter Salamon umgesetzt werden. In fließenden Bildern verkörperte sie idealtypisch Primitives (Darstellung eines Primaten), Männliches und Weibliches und Idole der Neuzeit. Aber auch Gesten, die für Beziehungen zwischen Menschen stehen, Behinderung, Angst und Brutalität werden erkennbar. Die Szenen entsprechen einer Realität, in der Subjekte auf Symbolisches reduziert und verdinglicht worden sind.

Dies wird auch im zweiten Teil verstärkt sichtbar. Die Tänzerin kreiert nach und nach ein symbolisches Ebenbild, dessen Nichtbewegung ihr am Ende ihre eigene Nichtbewegung vorgibt. Es ist nicht mehr das Subjekt der Tänzerin, dessen Intentionen umgesetzt werden, sondern umgekehrt: die Form des Fetischs bestimmt das Auftreten der Tänzerin.

Die beiden Teile ergeben ein geschlossenes Ganzes, indem sie aufeinander verweisen. Den dennoch aus diesem Ganzen ausgeschlossenen Rest zu denken, bleibt dem Publikum überlassen, mit dem Salamon und Le Roy letztlich nicht in Interaktion treten: Die Tänzerin behielt das Publikum ohne Rücksicht hinter sich.

(Katrine Pappritz)

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