Heimspiel für Blomstedt

Ein Großes Concert mit Beethoven, Hindemith und Nielsen

Ein authentischer Auftakt erwartete den Besucher am heutigen Abend: Blechbläser aus St. Petersburg am Eingang des ehrwürdigen Konzerthauses, welche für jeden geworfenen Eurocent ein Extralächeln aufsetzten. Selbst im großen Saal gab es etwas nicht Alltägliches: neben Beethovens beliebtem Tripelkonzert Konzertmusik von Hindemith und Nielsen. Hindemith war mit seiner Konzertmusik für Streichorchester und Blechbläser vertreten. Herbert Blomstedt hatte wohl noch die Klänge vom Eingang im Ohr, als er im ersten Teil den Streichern keine Chance gab, den Blechbläsern aber das Feld überließ. Erst allmählich fanden Streicher und Bläser zueinander und steigerten sich zum Ende des ersten Teils zu einem gelungenem Zusammenspiel. Der zweite Teil, dunkler und emotionaler als der erste, knüpfte an die gewonnene Sicherheit und Kraft an. Das Gewandhausorchester zeigte sich jetzt in Höchstform, die Bläser mit präziser Intonation. Die Eigenwilligkeit der Instrumentation wurde nun deutlich.

Hindemith wollte sich anfangs dem Kompositionsauftrag für das 50. Jubiläum des Boston Symphony Orchestras entziehen. Hatte er sich doch in den zwanziger Jahren der Moderne zu- und vom traditionellen Konzertbetrieb abgewandt. Warum er sich in diesem Fall trotzdem zu einem romantischen Rückfall hinreißen ließ, ist ein Thema für Wissenschaftler.

Das Klarinettenkonzert des Dänen Carl Nielsen zeigt im Gegensatz zum ersten Stück einen der Tradition und der romantischen Kunstauffassung verhafteten Komponisten beim Versuch des Neuen. In der einsätzigen Form ist noch die traditionelle Satzcharakteristik erkennbar. Das Soloinstrument wird von einer Trommel und einem Orchester in kleiner Besetzung begleitet. Für Blomstedt stellte das Werk quasi ein Heimspiel dar, im geografischen, aber auch und vor allem im künstlerischen Sinne. Leider erreichte er wie beim Hindemith erst im letzten Teil des Konzerts die Balance zwischen Solist und Orchester. Klarinette und Orchester wechselten immer wieder die Rollen, trieben oder wurden angetrieben, ergänzt durch die helle Trommel, welche mal ernsthaft, mal ironisch ihre Akzente setzte. Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte…

Bei Beethovens Tripelkonzert waren sichtlich alle Musiker in ihrem Element. Schon der souveräne, verhaltene und klare Beginn des Orchesters ließ die Zuhörer sich genussvoll zurücklehnen. Die Solisten kontrastierten dann effektvoll und in ausgeglichenem Zusammenspiel zur straffen Haltung des Orchesters. Eine Freude am Musizieren, welche sich auf das Publikum übertrug, machte sich bemerkbar. Sehr stark beeindruckte im „Largo“ das Zusammenspiel von Cello und Orchester im phantasievollen Abwandeln der mitreißenden Themen.

Gewandhausorchester, Herbert Blomstedt

Andreas Lehnert, Klarinette
Sebastian Breuninger, Violine
Christian Giger, Violoncello
Yuka Kobayashi, Klavier

Paul Hindemith (1895-1963): Konzertmusik op. 50 („Boston Symphony“)
Carl Nielsen (1865-1931): Konzert für Klarinette und Orchester op. 57
Ludwig van Beethoven (1770-1827): Tripelkonzert C-Dur op. 56

06.09.2002, Gewandhaus, Großer Saal

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