„Caveman” in Leipzig (Anna Kaleri)

07.09.02 Haus Leipzig
?Caveman?

Regie: Esther Schweins
Darsteller: Karsten Kaie


Höhlenmann und Höllenqual

Siebzehn Jahre war Rob Becker bereits verheiratet, als er zum ersten Mal seine Ein-Mann-Show ?Defending The Cavemann? auf die Beine stellte. Er muss also wissen, wie sehr Mann und Frau einander brauchen, wie wenig sie zusammen zu passen scheinen und wie oft sie sich unnötig, aber fundamental das Leben schwer machen, weil sie eine schlichte, wahre Tatsache vergessen: nämlich, dass das jeweils andere Geschlecht eben anders ist.

Von 1995 an über 700 Mal am Broadway aufgeführt, wurde ?Caveman? zum am längsten gespielten Solostück und löste in New York sogar die Umtaufung einer Straße aus. Von dort (Broadway/Ecke Caveman Way) trat das Stück den Siegeszug durch die USA und den Rest der Welt an. Nun ist es auch in Deutschland zu sehen als Koproduktion des Arena-Theaters Berlin und einer isländischen Theaterkompanie – eine originelle und professionelle Hochglanzaufmachung.

Dass man mit dem Bedürfnis nach Vermittlung zwischen den Geschlechtern Kassen klingeln lassen kann, zeigen nicht nur zahlreiche Bücher – von Robert Bly’s ?Eisenhans?, der eine ganze Männergeneration auf den Pfad zurück zu den mythologischen Urkräften brachte, bis zu solch angeblich neuro-physiologisch begründetem Schwachsinn wie ?Warum Frauen schlechter einparken?* . Auch im Theater wurden die seit den 68ern aufgeweichten Rollenerwartungen problematisiert, z.B. in der ?Offenen Zweierbeziehung? – ein Stück allerdings, das ein Breitbandpublikum nicht derart in die Theater locken kann wie ?Caveman?.

Und ?Caveman? ist kein Stück, sondern vielmehr ein Unterhaltungsabend, Ost-Caveman Karsten Kaie auch weniger ein Schauspieler als ein Stand-up-Komödiant. Wenn er sich in einen Neandertaler verwandelt, seine liebste Frau Heike nachäfft, das Lied vom Tod auf den Backen bläst, dann wirkt der Mimen- und Gestenfreak authentisch, nimmt man ihm (mit dem Speer vor dem Höhlenbild von Lascaux dozierend) die Aufklärer-Rolle ab, denn eigentlich sei er einer wie du und ich, zugeschnitten auf das ostdeutsche Publikum. ?Hattet Ihr auch ne S50 und am Zündschlüssel einen Fuchsschwanz??

Kein Wiedererkennungseffekt kann 100%ig sein, aber welcher Mann stand nicht schon winselnd vor der Tür, weil ihn die hysterische Höhlenbesitzerin nicht reinlassen wollte? ?Heike…, ich will aber nicht draußen nachdenken?. Doch, die Krone der Schöpfung (ein biertrinkender, rülpsender Schluffi) muss nachdenken: wie es dazu kommen konnte, dass Woody Allen inzwischen als Sexsymbol gilt und sich ein Mann für alles, was er macht, bei einer Frau entschuldigen muss, weil alles, was er macht, falsch ist. Einer, der kein Waschbecken richtig saubermachen oder champagnerfarben nicht von cremefarben unterscheiden kann und der die wichtigen Details im Gespräch mit seinem besten Freund seiner Frau vorenthalten will, wie sie ihm unterstellt, obwohl die Konversation nur aus drei Sätzen über den neuen Bohrer und ansonsten aus Rumhängen bestand. Frauen redeten angeblich 7000 Worte pro Tag, Männer nur 2000, ein folgenschwerer Unterschied.

Und die Ursache allen Übels – verkürzt auf die Formel ?Männer jagen, Frauen sammeln? – finden wir in der Steinzeit, wie unser Held Tom in der magischen Begegnung mit dem Urahn im Zauberzirkel seiner Unterhosen erfährt. Deswegen jagen Männer auf der Autobahn ihrem Ziel nach und verpassen die Abfahrt und sammeln Frauen in Kaufhäusern Schmuck und Kleider, die sie nicht brauchen. Deswegen bringen Frauen Männer mit ihrer Vorstellungskraft und Informationssammelei zur Weißglut, weil der Mann sich immer auf ein Ziel konzentriert und explodieren würde, hätte er den Kopf einer Frau. (Ich kenne allerdings einen Mann, der kann Zeitung lesen, Radio hören, essen, trinken und reden gleichzeitig, damit ich dann eins von meinen 7000 Worten loswerden will, muss erst mein Kopf explodieren.)

Gag an Gag reiht sich, mal lacht das eine Geschlecht mehr, mal das andere. Und das Nicht-Stück-Stück verfehlt mit seinen einfachen oder zuweilen fragwürdigen Wahrheiten, die ihm zugrunde liegen, seine Absicht nicht: Einstellungen zu ändern, um gelassener miteinander zu leben.

Und wenn das nächste Mal unter dem Stuhl des Mannes so viele Krümel liegen, als hätte dort ein Kleinkind geschmaust, dann: Entspannt lächeln, Höhlenbesitzerin! Und die Kehrschaufel nehmen. Dein Höhlenmann musste doch Mutter Erde etwas abgeben.

(Anna Kaleri)

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