Giuseppe Verdi: Rigoletto, Wiederaufnahme (Frank Sindermann)

21. September 2002
Oper Leipzig

Giuseppe Verdi : Rigoletto
(Wiederaufnahme)

Seng-Hyoun Ko (Rigoletto)
Eun Yee You (Gilda)
Stefano Secco (Herzog)
Petri Lindroos (Sparafucile)
Anne-Marie Seager (Maddalena)
Tuomas Pursio (Monterone)
Jürgen Kurth (Marullo)

Chor der Oper Leipzig
Gewandhausorchester, Dirigent: Ivan Anguélov

Regie: Alfred Kirchner


Zwei gute Gründe

Es gibt zwei wichtige Gründe, sich die Wiederaufnahme von Alfred Kirchners „Rigoletto“-Inszenierung an der Oper Leipzig nicht entgehen zu lassen. Diese Gründe heißen Seng-Hyoun Ko und Eun Yee You. Als Rigoletto bzw. Gilda verzauberten sie das Publikum mit technisch makellosem und emotional anrührendem Gesang und ließen vergessen, dass Kirchners Regiearbeit eigentlich völlig belanglos ist. Einige wenige, noch dazu völlig nichtssagende Einfälle konnten über das grundsätzliche Fehlen eines Konzepts nicht hinwegtäuschen. Aber wie gesagt: Angesichts der fulminanten Leistungen der Protagonisten fiel dieser Mangel kaum auf. Allein mit ihrer persönlichen Präsenz füllten diese die leere Bühne und verdrängten vom ersten bis zum letzten Ton alles andere aus den Gedanken.

Seng-Hyoun Ko gab einen vielschichtigen Rigoletto, der als von Angst und Verzweiflung geplagter Vater ebenso überzeugte wie als gnadenloser Racheengel. Ob er sich mit lauter, kräftiger Stimme des schrecklichen Fluchs erinnerte oder mit brechender Stimme den Tod seiner Tochter beweinte ? immer fand er den richtigen Ton und erreichte so ein großes Maß an darstellerischer Glaubwürdigkeit. Eun Yee You zeichnete Gilda, diesen Engel in Menschengestalt, mit einer Unschuld und Zerbrechlichkeit, die einem schier den Atem raubte. Und was die Gesangstechnik anbelangt, fehlen fast die Worte. Wie Eun Yee You Spitzentöne aus dem Nichts ansang, an der Grenze des Unhörbaren aber dennoch lupenrein, wie sie komplizierteste Koloraturen darbot, als sei es ein Kinderspiel ? man muss es selbst gehört haben, um es zu glauben.

Die weiteren Rollen waren fast durchweg gut besetzt. Petri Lindroos‘ gab einen kernig-diabolischen Sparafucile; Maddalenas Bitten um das Leben des Herzogs gewannen in Anne-Marie Seagers Darstellung überzeugend Gestalt; Jürgen Kurths Marullo war ganz der höfische Intrigant. Stimmlich wurden sie alle ihren Partien mehr als gerecht. Auch Tuomas Pursios Interpretation des Monterone erschütterte durch die intensive Darstellung von Schmerz und bitterer Rache. Stefano Secco stand leider etwas hinter diesen erfreulichen Leistungen zurück. Mit wenig modulationsfähiger Stimme und bisweilen argen Problemen in der Höhe konnte er nicht einmal den Paradestücken der Oper Glanz verleihen.

Der Chor der Oper Leipzig wartete mit einer respektablen Leistung auf, indem er sich bei der Meisterung der vielen verschiedenen Anforderungen als sehr wandlungsfähig erwies. Besonders der „Windchor“ des letzten Akts geriet zum beklemmenden Naturereignis.

Das Orchester setzte, auch wenn sich prinzipiell nichts Negatives sagen lässt, kaum eigene Akzente. Es reagierte meistens sensibel auf die Sängerinnen und Sänger und überzeugte durch eine gelungene klangliche Balance, was für ein Opernorchester nicht immer einfach ist. Ivan Anguélov behielt stets den Überblick und hielt die Musiker immer ausreichend im Zaum, um den Gesang nicht zu übertönen.

Die Beifallsstürme und Ovationen am Ende galten erwartungsgemäß vor allem Seng-Hyoun Ko und Eun Yee You. Auch das vorzeitige Blackout am Schluss mit entsprechendem Fiasko im Orchestergraben als Folge, eine Theaterpanne der peinlichsten Art, konnte der Begeisterung keinen Abbruch tun ? völlig zu recht. Und da derartige Pannen für die weiteren Aufführungen nicht zu erwarten sind, kann man jedem, der sich für Oper interessiert, einen Besuch dieser Produktion nur dringend ans Herz legen.

(Frank Sindermann)

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