Alles nur Theater

Betrachtungen zum Wahlkampf 2002

Zum wiederholten Male kam auch in diesem Jahr wieder ein Stück zur Aufführung, das schon in der Vergangenheit in seiner Inszenierung, Dramaturgie und vor allem Besetzung immer wieder die Gemüter erhitzte, die Experten spaltete, ein Stück, das für Wochen die Titelseiten der Zeitungen für sich reservierte und die Gesprächsthemen der Menschen dominierte, ein Stück teilweise mit skurrilen Handlungen, fragwürdig in Szene gesetzten Figuren und für die Dramaturgie idiotischen Duellen. Auch in diesem Jahr wurde man wieder unfreiwillig freiwillig zum Zuschauer dieses Theater-Events, das in seiner Ankündigung mehr versprach, als es im Endeffekt lieferte. Und wie bei jeder Aufführung, die von Langatmigkeit und schlechten Dialogen geprägt ist, hat man sich schon bald, noch bevor die Handlung überhaupt in Gang kommt, sehnlichst das Ende herbeigewünscht. Aber man will, kann und vor allem darf es sich nicht so einfach machen, das Stück zu verlassen, die dort behandelten Themen vergessen und zur nichtigen Tagesordnung übergehen; es geht um zu viel: Deshalb kämpfen ‚Die-da-Oben‘ auf der Bühne um die Gunst der ‚Die-da-Unten‘ in den Zuschauerrängen, die mit ihrem Applaus die Zukunft der einen oder der anderen Truppe sichern sollten.

Nun, da alles vorbei, der Vorhang geschlossen ist, fragt man sich: Wie kann man diese Inszenierung bewerten? Hat’s denn gefallen?

Das Stück wurde, ganz nach amerikanischen Vorbild, zu erst einmal auf zwei Protagonisten zugeschnitten, der eine, ein auf vielen Bühnen in Deutschland, mal mit Lob mal mit heftiger Kritik versehener Star, der vor allem durch seine Spieltechnik der ruhigen Hand für Aufsehen sorgte, der andere, der Provinzprominenz entsprungen, brüllte laut, aber immer wieder lächelnd, er wolle dem Plot in Zukunft eine andere Richtung, der ganzen Gilde wieder ein besseres Ansehen geben. (Welche Regisseur hat sich eigentlich ausgedacht, diese beiden zusammen auftreten zu lassen?) Und dann gab’s da ja auch noch andere, für das Geschehen nicht Unwichtige: den Spaßmacher, über dessen Scherze nicht einmal die lachten, die Spaß verstehen, und den, der außen so und innen anders ist, dabei erstaunlicherweise eine gute Figur hat, ich meine, macht, und einen, der gar nicht mehr auf die Bühne wollte, dafür aber um so häufiger brettfühlig wurde, und eine Frau, bei der man sich ständig fragte, was die nur für eine komische Frisur hat. Alle diese Gestalten, und noch weitere unzählige Nebendarsteller, waren Teil eines Stückes, dessen Ausgang niemand kannte, dessen Verlauf gelegentlich überraschte, dessen Aussage(n) allerdings kaum jemand verstand. Durch sie alle wurde das ‚Ich sehe was, was du nicht siehst‘-Geplänkel erst richtig amüsant. Doch: hat man zugunsten seiner eigenen Karriere aneinander vorbeigespielt? Nein, das kann man als Betrachter nun wirklich nicht behaupten – es war eine andere Art von Interaktion -, denn sobald der eine dem anderen den Rücken kehrte, blitzte kurz der Dolch auf, so lange bis die ersten Zuschauer aufschrieen und die Souffleuse aus dem Off piepste, das dies nicht zum Stück gehöre.

Was alle Darsteller in brillanter Art und Weise geschafft haben, was sonst auf dem Theater, aber nicht hier eine Selbstverständlichkeit ist, sie haben ihre Texte gewissenhaft gelernt; allerdings so übereifrig, daß schon bald 2/3 des gesamten Textes gestrichen werden konnte, und nur der übriggebliebene Rest immer wieder gebetsmühlenartig aufgesagt werden mußte, allerdings in solcher Heftigkeit, daß es den Zuschauern in den ersten drei, vier, zehn Reihen gelegentlich Angst und Bange wurde. Diese meinten dann auch, daß die Inszenierung in diesem Jahr lauter und schriller, die Handlung mehrsträngiger war, als in vergangenen Zeiten. Ich schließe mich dagegen denjenigen an, die sagen, das Dargebotene war weder anders noch neuer als zuletzt; vielmehr nimmt das mediale Interesse und somit der Einfluß auf das Stück immer mehr zu. Es wurde berichtet, daß mehrere Kritiker während verschiedenen Aufführungen den Schauspielern andere Texte aus dem Auditorium zuriefen, diese ihren fleißig Gelernten sofort vergaßen und ohne an die Erwartungshaltung des einfachen Zuschauers zu denken, einfach übernahmen. Letztlich bestand das Werk nur noch aus Wortfetzen, leeren Phrasen und die Agierenden glichen Marionetten. Gemerkt hat das freilich kaum jemand. Ist halt so, wenn Theater gespielt wird. Zum Schluß hat die Mehrheit der Zuschauer artig geklatscht, die Pro- und Antagonisten anständig gedankt. Nur die Kritiker waren sich nicht einig, ob man beim nächsten Mal nicht mehr Sicherheit im Text verlangen dürfe oder nicht, denn man solle ja nicht vergessen: Nach der Wahl ist vor der Wahl!!!

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.