Opern-Saisoneröffnung in Karlsruhemit Verdis Falstaff

Angesichts leerer Kassen versuchen die Theaterbühnen hierzulande immer häufiger, mit den Mitteln des Theaters über das Theater nachzudenken und so die Institution und ihren Zustand in den Inszenierungen dazu besonders geeigneter Werke zu thematisieren. „Theater auf dem Theater“ ist inzwischen zum gängigen Regiekonzept geworden und scheint gerade bei „Falstaff“ nahezuliegen. Und nach Konwitschnys letztjähriger Grazer Inszenierung dieses Stückes stellt sich bei jeder Neuproduktion immer auch die Frage nach ihrer Tendenz zur scharf-gesellschaftskritischen oder bei aller „Modernisierung“ eher harmlos-heiteren Seite.

Die neue Intendanz des Badischen Staatstheaters Karlsruhe hatte sich Verdis letzte Oper für die Eröffnungspremiere der laufenden Spielzeit ausgewählt. Gleichzeitig wurde mit seiner ersten Operneinstudierung an diesem Haus der neue GMD Anthony Bramall vorgestellt. Durch Chefpositionen an mehreren kleineren Theatern hat er vor allem als Operndirigent viel Erfahrung sammeln können, was sich an seiner sicheren Leitung merken ließ: Er hatte das Orchester und die komplizierte, weil auf Transparenz hin angelegte Partitur stets im Griff. Zudem zeichnete sich sein Dirigat durch eine bemerkenswerte Einfühlsamkeit im Umgang mit den Sängern aus. Diese, frei von jeglichen Befürchtungen, vom Orchester zugedeckt zu werden oder den Kontakt zu verlieren, konnten so insgesamt zu einer fast schon selten gewordenen Ensembleleistung finden.

Besonders der Darsteller der Titelfigur, Günter von Kannen, überzeugte mit einer ausgefeilten Charakterstudie des anarchischen Dickbäuchers Falstaff; die internationale Erfahrung mit der Partie war ihm auch gesanglich deutlich anzumerken. Der Regisseur Alexander Schulin ließ ihn ein Parkhaus behausen, das wohl einmal ein Theater gewesen war, erinnerten die etwas schäbigen Dekorationsteile im Hintergrund doch unschwer an die einstige Pracht eines prunkvollen Portalbogens. Zu diesem Bild war der Bühnenbildner Christof Sehl von dem Foto eines in dieser Art tatsächlich existierenden Parkhauses in Detroit angeregt worden, und so fahren Windsors Damen in ihren mehr oder weniger noblen Karossen als mit Tüten ausgestattete High-Society-Ladies zum Shopping vor. Der sie umwerbende Ritter erscheint gleichsam als Relikt einer untergegangenen Epoche: Er animiert den Frauenclan durch seine identischen Liebesbriefe an Alice und Meg zum Spiel, zum Theater auf dem Theater, und fungiert gleichzeitig als Kritiker ihrer konsumorientierten Luxuswelt. Wegen seiner dickfelligen Dreistigkeit zieht Falstaff dabei trotz seiner niedrigeren sozialen Stellung nicht den Kürzeren, denn sie schützt ihn vor dem emotionalen Chaos, in das die Familie Ford von einer „Welt voll Schurken“ (mondo ladro) gestürzt wird.

Trotzdem zielt diese Inszenierung letztlich mit Hilfe einer von den Darstellern mit viel Spielfreude umgesetzten Personenführung auf das komische Moment und damit auf den Unterhaltungswert der Komödie und verstört niemanden durch allzu kulturpessimistische Ansichten. Das Publikum folgte dieser insgesamt trotz gelegentlicher Tendenz zur Albernheit witzigen und schlüssigen Produktion mit spürbarem Gefallen und belohnte schließlich die Künstler mit wohl auch erleichtertem Applaus.

Falstaff

Oper von Giuseppe Verdi

Premiere: 5. Oktober 2002, Badisches Staatstheaters Karlsruhe, Theater im Parkhaus


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