Hellmuth Karasek fasst sich kurz, kostet aber trotzdem Geld
Man hatte sich noch gar nicht richtig platziert, da war auch schon alles wieder vorbei. Dr. Hellmuth Karasek, ein oft und gern gesehener Gast in Weimar, scheint alles schon gesagt zu haben. Beachtliche dreißig Minuten seiner kostbaren Zeit widmete er dem Vortrag über „Sprache und Gewalt“ und verschwand danach sofort am Autogrammtisch, ohne auch nur ansatzweise das Gespräch mit dem Publikum gesucht zu haben. Nicht einmal dort ließ er die wenigen, die den Dialog mit Hilfe eines Autogramms suchten, zu Wort kommen.
Von seinem dreißigminütigen Vortrag widmete er ein Viertel einer Hommage an den gerade erst preisgekrönten Literaturnobelpreisträger Imre Kertész. Natürlich waren leicht Anknüpfungspunkte zu seiner Thematik zu finden, die aber nur marginal von dem Literturkritiker behandelt wurden, da er lieber Anekdoten wie Kaffeekränzchen im Kempinski mit dem Schriftsteller und seiner jungen, frisch angetrauten Frau zum Besten gab. (Bei einer so knappen Redezeit nicht allzu befriedigend.)
Die eigentlichen Einleitungsminuten seines Vortrages wurden selbstverständlich dem Dichterfürsten gewidmet. Denn immerhin befand man sich in der von Goethe selbst stilisierten „Klassikerstadt“. Er schnitt kurz anhand der Gedichte Der Fischer (im Sinne von Sprachverführung) und Der Erlkönig (im Sinne von Gewalt als ultima ratio) die traditionelle Textmetaphorik der Sirenen an, wie sie schon in Homers Odyssee und dem daraus sich entwickelten Diskurs vorkommt. Das Moment des Verführerischen wirkt ebenso in der Propaganda (als Beispiel diente meist der Nationalsozialismus) wie in literarischen Texten.
Die sich daraus ergebende Zentralthese, dass der Zusammenhang zwischen Sprache und Gewalt ein Euphemismus ist, zog sich danach durch Werke diverser anderer Autoren wie Hölderlin, Brecht, Kafka, Orwell etc. Expliziteren Raum nahm zu Recht Viktor Klemperers LTI (Lingua Tertiae Imperii) ein, da mit diesem Werk die ganze Perversion menschlicher Sprachverstümmelung im Dritten Reich demonstriert wird. Mit Hilfe des Kapitels IX – „Fanatisch“ – leitete er peripher auf die heute ausgeübten Formen des fanatischen Islams über mit einem Hauch von Kritik an der Politik der Vereinigten Staaten, ohne jedoch jemals tiefer in die Thematik vorzudringen. Ergo alles nichts neues.
Im Rahmen der auch noch groteskerweise „Dialog“ genannten Ausstellung war Karaseks halbstündiger Monolog sehr oberflächlich und unbefriedigend. Zumal für den kurzen Abend mit dem berühmten Kritiker neun Euro verlangt wurden. Am Ende fragte man sich, ob ein bekannter Name des Anspruchs enthoben ist, Qualität zu liefern.
Hellmuth Karasek: „Sprache und Gewalt“
im Rahmen der Ausstellung „Dialog“
9. Oktober, Deutsches Nationaltheater Weimar, Foyer I
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