„Empire | Outlaw”: eine Produktion der Studiobühne (Britta Paasche)

10.10.2002 Lofft

„Empire | Outlaw“ (öffentliche Probe)
eine Produktion der Studiobühne

Regie:Thomas Achtner

Mit:
Sandra Bringer
Birte Rüster
Oliver Köhne
Alexander Patzer

Musik:
Stefan Eiting
Felix Karpf

Video:Wolfram Fleischer
Programmierungen: Daniel Hofmann


„Wie soll man über etwas berichten, was nicht stattfindet?“

„Empire | Outlaw“ ist der letzte Teil einer Trilogie, die sich mit den Mythen der Medienwelt auseinandersetzt. Wie auch „Neck Breaker’94“ und „Amok ? mark bartons heart of darkness“ werden darin Elemente von Schauspiel, Performance, Hörspiel, Video-, Computerkunst und Musik miteinander verknüpft. Nach eigenem Anspruch will die Studiobühne damit Recherchen in virtuellen Realitäten betreiben und szenographische Experimente durchführen.

Die Produktion thematisiert die Legenden um Patrick Henry McCarty alias William Bonney alias Billy the Kid und die Medialisierungen dieses amerikanischen Mythos. Ein dreiköpfiges Filmteam, bestehend aus Barbara, der Produktionsleiterin, Tom, dem Kameramann und Eric, dem Toningenieur, ist beauftragt, ein Making of über die Neuverfilmung des Westerns von Sam Packinpahs „Pat Garret & Billy the Kid“ zu drehen. Doch in Fort Sumner, New Mexico, dem Ort an dem Billy the Kid starb und der den Drehort für die Neuverfilmung abgeben soll, ist niemand. Im Motel treffen die drei lediglich auf die Praktikantin Sally. Es gibt nichts zu tun, außer zu warten. Gelangweilt raucht man, trinkt man, unterhält sich und macht ein paar Polaroids. Vor allem Barbara ist um Aktivität bemüht, will sich nicht mit der Warteposition abfinden. Sie initiiert, dass man sich noch einmal den Originalfilm anschaut und lässt Tom und Eric im Quiz Wer-errät-anhand-der-Jahreszahlen-Billy-the-Kid-Verfilmungen gegeneinander antreten. Mit dem Fehlen des Neuverfilmungs-Filmteams ist das Dasein der Making-of-Crew in Fort Sumner ad absurdum geführt. Die Aufgabe, ihrem Verweilen dort Sinn zu geben, wird immer drängender. Tom wirft die Frage auf: „Wie soll man über etwas berichten, was nicht stattfindet?“ Diese Frage wird zum Ausgangspunkt einer eigenen Version der Inszenierung des Making of Billy the Kid.

Die Bühne des Lofft ist in mehrere Spielflächen unterteilt. Ganz links stehen Sitzgruppe, Bett und Spiegel. Sie markieren Wohn-, Schlafzimmer und Bad des Motels. In der Mitte der Bühnenrückwand befindet sich eine Leinwand, auf dieser werden der Originalfilm, Videoeinspielungen und mit der Handkamera live gefilmte Sequenzen gezeigt. Rechts davon mehrere High-tech Computerarbeitsplätze. Am vorderen rechten Bühnenrand steht ein zwei Meter hoher, für den Zuschauer nicht einsehbarer Kubus. Die Musiker, Schlagzeug und E- bzw. Bass-Gitarre sind rechts vom Publikum platziert.

Neben den verschiedenen Spielorten weist das Stück auch mehrere Dimensionen auf. Zu der Motel-Handlung und den schon erwähnten Einspielungen des Orginialfilms „Pat Garrett & Billy the Kid“ kommen Szenen, die am Computertisch spielen. Die Aktivitäten im Kubus werden aufgenommen und auf die Leinwand übertragen. Daneben werden immer wieder Polaroids geschossen und man filmt sich gegenseitig mit der Handkamera. Unterschiedlichste Medien werden gleichzeitig und in Ergänzung mit einander benutzt.

Und das ist es auch, was „Empire | Outlaw“ besonders interessant macht. In die Produktion sind die Reflektionsebenen bereits integriert. Metatextuell kommentiert das Stück ständig seinen fiktionalen Status. Die Wahrnehmungsebenen sind dabei mehrfach gebrochen. So, wenn Barbara (oder jetzt einfach eine Frau?), mit dem Rücken zum Publikum stehend, einen Text in den Computer schreibt. Die Visualisierung dieses Textes auf dem Bildschirm filmt sie mit der Handkamera ab. Das aufgenommene Bild wird simultan auf die Leinwand übertragen. Und erst jetzt können die Zuschauer ihre Worte lesen: „Ich werde beobachtet“. Die Darstellerin betrachtend und diesen Text lesend, werden die Zuschauer auf ihren eigenen Beobachterstatus im Theater hingewiesen. Und gleichzeitig trifft der Satz auch eine Aussage über ein Making of: ein Filmteam beobachtet und filmt Menschen die einen Film drehen.

Die öffentliche Generalprobe, die die Produktion nur in Auszügen vorstellte, weckt große Erwartungen auf die Premiere (01.11.02) eines klugen und interessanten Stückes. Einzig wünscht man sich bis dahin, die Mikrofone etwas lauter eingestellt und die männlichen Darsteller nicht ganz so hölzern.

(Britta Paasche)

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