Lucien Hervé „Zwischen Fotografie und Architektur” in den Deichtorhallen Hamburg
Als sich Le Corbusier und Lucien Hervé erstmalig begegneten, fragte der Architekt, wie Hervé zur Fotografie gekommen ist. Mit der Schere, antwortete Hervé. Die Antwort muss Corbusier gefallen haben. Hervé begleitete Corbusiers Arbeit mit der Kamera bis zu dessen Tod. In der Hamburger Ausstellung wird nun das Werk Hervés in einer umfangreichen Werkschau vorgestellt.
Der Katalog zur Ausstellung beginnt mit einem Selbstporträt von Hervé. Die Kamera wie etwas Unbekanntes haltend, blickt er skeptisch in den Spiegel, bevor der Auslöser gedrückt wurde. Bis zum Zeitpunkt dieses Fotos, im Jahr 1938, hatte Hervé noch keinerlei Kontakt zur Fotografie gehabt. Das mag mit Rückblick auf die Qualität seines Werkes verwundern, hat aber eine plausible Erklärung. Vor dem zweiten Weltkrieg fand sich kaum jemand, der Fotografie als Kunst bezeichnet hätte. Es war eine Tätigkeit, eine relative leichte dazu, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Nicht mehr, nicht weniger.
1910 in Ungarn als László Elkán geboren, machte Lucien Hervé einen von geometrischen Formen des Konstruktivismus geprägten Formalismus zu seinem Markenzeichen. Skeptisch gegenüber der Inszenierung von Bildern, ist Hervé immer auf der Suche nach dem ?besonderen? Blickwinkel. Triebkraft seines Schaffens ist die kompromisslose Unterwerfung unter das Diktat der Modernität. Jede Aufnahme wird zu einem formalen Ereignis. Durch den Auftrag Le Corsiers „Cité Radieuse“ in Marseille zu dokumentieren, entwickelte sich eine lebenslange Zusammenarbeit. An einem einzigen Tag machte er 650 Aufnahmen der Wohnanlage. Nachdem Le Corbusier die Fotos gesehen hatte, schrieb er Hervé: „Sie haben die Seele eines Architekten, und Sie verstehen etwas davon, Architektur zu betrachten. Werden Sie mein Fotograf.“
Aber nicht nur das Werk von Le Corbusier hat Hervé in seinen Bildern festgehalten, auch andere bedeutende Bauwerke der Moderne von Architekten wie Alvar Aalto, Marcel Breuer, Oscar Niemeyer oder Jean Prouvé hat Hervé. So zeigt die Ausstellung auch Aufnahmen von Bauernhäusern, Kirchen und Klöstern und Porträts bekannter Künstler wie Fernand Léger oder Henri Matisse zu finden, deren Gesichter er mit seiner Kamera in skulpturale Objekte transformierte. Auch in der Serie „Paris, ohne mein Fenster zu verlassen“ (Paris sans quitter ma fen?tre) werden die anonymen Passanten in graphische Motive umgewandelt – eine Bildsprache, wie wir sie aus der Bauhaus-Fotografie kennen.
Hervés Fotografien spielen mit Licht und Schatten und sind dem Detail eines Bauwerkes verpflichtet. Mit seiner Überspitzung der Kontraste treten die Konturen der Bauwerke messerscharf heraus. Manchmal sind sie so deutlich abgebildet, dass eine Hauswand nicht mehr als solche zu erkennen ist, sondern eher an eine Luftaufnahme eines Landstriches erinnert.
Ausstellung: Lucien Hervé: „Zwischen Fotografie und Architektur“
Deichtorhallen Hamburg, bis zum 12. Januar 2003
Katalog 25 Euro
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