Von der Schwierigkeit der vollkommenen Leichtigkeit

Der Leipziger Oratorienchort singt Mozarts c-Moll-Messe in der Kirche zum Heiligen Kreuz

Obwohl Fragment geblieben, gehört die Missa in c-moll neben dem Requiem zu den bedeutendsten sakralen Kompositionen Wolfgang Amadeus Mozarts. Dabei mutet der Charakter dieses Werkes recht bizarr an, fällt immer wieder zwischen verschiedensten kompositorischen Stilen hin und her und unterscheidet sich deutlich von damals üblicher Kirchenmusik. So finden sich im Solistenquartett zwei Koloratursoprane und es wechseln sich opernhaft-virtuose Soloarien mit prachtvollen Chören und rasanten Fugen ab. Insgesamt steckt in dieser Messe viel großartige Musik von teilweise berückender Schönheit, teilweise monumentaler Erhabenheit.

Am Samstag wagte sich in der Heilig-Kreuz-Kirche der Leipziger Oratorienchor samt Orchester unter Martin Krumbiegel an die Aufführung dieses Werkes und erfreute wie in vorangegangenen Oratorienaufführungen das Publikum mit einer von Herzen kommenden Interpretation. Das Engagement und die Begeisterung der Beteiligten verliehen der Musik Wirkung, die über den reinen Notentext hinausging. Allerdings lässt sich eine Mozart-Messe eben nicht genauso stemmen wie ein romantisches Oratorium, und so vermisste man an diesem Abend über weite Strecken die nötige vollkommene Leichtigkeit, mit der sich Mozarts Musik bei aller Dramatik und Tiefe in ätherische Gefilde aufschwingt.

Allein Friederike Holzhausen, die in ihren Partien mit technischer Brillanz, beseelter Stimme und traumwandlerischer Phrasierungskunst begeisterte („Et incarnatus est“!), ließ etwas von dieser Dimension erahnen. Großartig, wie sie leichtfüßig und mühelos die Register wechselte, innig-zarte Linien aussang und harmonische Wendungen auskostete.

Gertrud Günther gesellte sich in „Domine Deus“ mit Musikalität und stilistischem Gespür hinzu, Martin Petzold und Thomas Oertel-Gormanns ergänzten solide, konnten aber von der Partie her wenig eigene Akzente setzen. Im „Benedictus“ warteten alle vier Solisten gemeinsam mit einer schönen Ensembleleistung auf.

Dynamisch nutzte Krumbiegel mit seinem Chor die gesamte Bandbreite aus, erzielte ergreifende Kontraste und entwickelte vor allem im Forte eine bemerkenswerte Intensität und Homogenität des Klangs, der allerdings im Pianissimo bisweilen brüchig wurde und an Substanz verlor. Ungünstig wirkte sich auch die relative Unterbesetzung in den Männerstimmen aus – vor allem im Tenor, der hörbar forciert singen musste, um nicht unterzugehen.

Am meisten zu überzeugen wusste der Oratorienchor in den Abschnitten, in denen Mozart in barocker Manier Fugen benutzt, um vielstimmiges Gotteslob jubilierend darzustellen. So gerieten „Cum sancto spirito“ und das abschließende „Hosanna in excelsis“ kraftvoll und mitreißend.

Vor der Messe stand noch Mozarts Oboenkonzert in C-Dur auf dem Programm. Solist war Peter Heinze vom Händel-Festspielorchester Halle, Konzertmeister Andreas Hartmann leitete vom ersten Pult aus. Heinzes tonschönes, gestaltungssicheres Spiel entschädigte dabei für allerlei rhythmische und intonatorische Divergenzen im Orchester, welches das Konzert überhaupt zu schwerfällig und wenig inspiriert anging und kaum den Humor und die Spritzigkeit erkennen ließ, welche dem Stück innewohnen.

Es ist eben so eine Sache mit der vollkommenen Leichtigkeit…

Wolfgang Amadeus Mozart:
Konzert für Oboe und Orchester C-Dur KV 314 (271k)
Messe c-Moll KV 427

Peter Heinze Oboe

Friederike Holzhausen, Sopran
Gertrud Günther, Sopran
Martin Petzold, Tenor
Thomas Oertel-Gormanns, Bass

Leipziger Oratorienchor
Leipziger Oratorienorchester

Leitung: Martin Krumbiegel

16. November 2002, Kirche zum Heiligen Kreuz, Leipzig

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.