Musik hören wie zu Bachs Zeiten

Der Sommersaal im Bach-Archiv ist neu rekonstruiert

Im Thomaskirchhof 16 lebte einst nicht nur Johann Sebastian Bach, sondern auch Georg Heinrich Bose, ein Gold- und Silberwarenhändler. 1711 ließ dieser seinen Teil des Hauses erweitern: Es entstand ein Sommersaal im Südflügel, der heute in neuem Glanz erstrahlte.

Es ist ein besonderer Raum. Er befindet sich auf der zweiten Etage und ist an sich ein doppelstöckiger Raum. Denn über dem eigentlichen Raum gibt es noch eine Galerie. Dort musizierten früher die Musiker, während die Gäste sich im unteren Teil des Saales an der Musik erfreuten. Der erste Raum hat also eine Öffnung in der Decke. Sie ist oval, ca. fünf Meter lang, vielleicht drei Meter weit, um sie herum geht eine weiß angemalte Balustrade entlang. Oben ist der zweite Raum, die Galerie. Die Besonderheit an ihr ist das Plafondgemälde, welches exakt die Größe der Öffnung hat. Es ist beweglich und kann herabgelassen und heraufgezogen werden. Das Gemälde, heute im barocker Manier mit einem Wolkenbild bemalt, kann also die beiden Räume voneinander trennen, wie eine Tür.

Der untere Raum ist mit altem Holzboden ausgelegt. In ihm stehen heute zwei Instrumente: Ein Cembalo und eine Truhenorgel. Diese sollen heute so in Erscheinung treten, wie sie „damals“ – zu Bachs Zeiten – geklungen haben mögen. Deswegen werden nur fünf Stühle an die zwei freien Wände- gestellt, denn zu Zeiten Bachs gab es ohnehin wohl des öfteren „Steh-Konzerte“. Konzerte, wie wir sie heute kennen, waren weniger üblich.

Frau Hasselt (München) spielte zunächst auf dem Cembalo aus Bachs Wohltemperiertem Klavier, 2. Teil, das Präludium in C-Dur (BWV 870). Der Raum hat eine große, weiche Resonanz. Dasselbe Stück spielt sie dann „von oben“ denn auf der Galerie steht ebenfalls ein Cembalo. Ein angenehmer Klang. Man konzentriert sich viel mehr auf die Musik, wenn sie „von oben“ kommt und man keine visuellen Eindrücke dazu hat. Sehr schön. Das Plafongemälde wird während dessen niedergelassen und wieder erhoben. Es ist, als ob eine Tür erst zugemacht, dann wieder geöffnet wird. Später musiziert die Cembalistin wieder auf der unteren Ebene, und zwar auf der Truhenorgel die Fuge Es-Dur BWV 876. Die Orgel ist sehr laut, das liegt vielleicht auch an der geringen Anzahl der Teilnehmer der Vorstellung. Das Plafongemälde wird noch ein paar mal demonstrierend auf- und abgelassen. Welch amüsante Idee!

Offenbar wurde der Saal nach wissenschaftlichen Erkenntnissen so hergestellt, wie er zu Lebzeiten Bachs war. Daß sich nur wenig „Alt-Substanz“ in dem Raum befindet – obwohl der Raum an sich ja aus solcher besteht -, schadet nicht. Vielleicht ist eher das Gegenteil der Fall. Der Raum ist sehr schön geworden, in zarter Farbe gehalten und mit Kronleuchtern dekoriert. Die Wandspiegel wurden wieder so angebracht, wie man sie aus zeitgenössischen Dokumenten kannte, der Holzboden wurde einem anderen historischen Gebäude entnommen. Die Fenster sind ebenfalls an derselben Stelle wie zu Bachs Zeiten, doch nun sind sie schalldicht. Auch die Akustik hat an Klarheit gewonnen.

Man darf sich also sehr auf die dort in Zukunft stattfindenden Konzerte freuen. Bei diesen müssen die Gäste natürlich nicht stehen, es werden jeweils ca. 60 Sitzplätze vorhanden sein. Musiziert wird sowohl von der Galerie als auch vom eigentlichen Raum aus. Die bis zum Juni 2003 geplanten Mittwochskonzerte werden selbstverständlich überwiegend in historischer Aufführungspraxis vorgeführt. Und dafür eignet sich der zum neuen Leben erweckte Raum bestens. Musik aus Bachs Zeiten so hören, wie er sie gehört hat – bleiben da noch Wünsche offen?

Klangprobe für Journalisten

Montag, den 18. November, um 16 Uhr im Sommersaal des Bach-Archivs.

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