Brigitte Bardot bei den Franz. Filmtagen in „Le Mépris” von Jean-Luc Godard (Roland Leithäuser)

8. Französische Filmtage in Leipzig und Halle
„Le Mépris“ von Jean-Luc Godard in der Schaubühne Lindenfels, Dienstag, 3. Dezember 2002
Die Welt als Wille und Autounfall

Eine „Hommage – Brigitte Bardot“ versprechen die Französischen Filmtage in diesem krisengeschüttelten Jahr. Überdies lesen sich eine Vielzahl der Beiträge in den Leipziger und Hallenser Kinos wie ein Aufbegehren starker Frauen: während der zweite Höhepunkt des Festivals sich in einer Werkschau der expressiven Kammerspiele Catherine Breillats annimmt, eröffnet „Cet Amour L?“ mit Jeanne Moreau in der Hauptrolle die Festspieltage mit einer filmischen Biographie der späten Marguerite Duras. Moreau und Bardot, das waren und sind zwei große Damen des französischen Nachkriegsfilms, die zwischen blonder Naivität und kühlem Hedonismus stets die Traumbesetzung großer internationaler Produktionen wie kleiner, eigenwilliger, der Nouvelle Vague oder ihrer zahlreichen Epigonen angehörigen Filme abgaben. Die Bardot hatte irgendwann genug und macht bisweilen noch mit Anti-Pelz-Kampagnen oder ihrer unverhohlenen Sympathie für LePens Front National von sich reden. Das sollte Grund genug sein, ihr frühes Schaffen auch und gerade einem jungen Publikum noch einmal zu präsentieren.

„Die Verachtung (der deutsche Titel von Le Mépris) ist die Geschichte der Welt.“ So lauten die einführenden Worte am Beginn des Films, der gemächlich die Kamerafahrt eines Teams bei Außenaufnahmen zu einem Film betrachtet. Schon die Exposition des Films gewährt also einen Einblick in seine Doppelbödigkeit, dem subkutan stets ein zweiter, ins Symbolhafte spielender Handlungsstrang unterlegt ist. „Le Mépris“ erzählt die Geschichte einiger Menschen und erzählt sie wiederum nicht. So ist das bei Godard. Der mittellose Drehbuchautor Paul Javal (Michel Piccoli) und seine schöne Frau Camille (B.B.) erscheinen bei Dreharbeiten zu einem Film über die Odyssee, welche der amerikanische Produzent Prokosch (Jack Palance) von dem renommierte Regisseur Fritz Lang (as himself) umgesetzt wissen möchte. Aufgrund künstlerischer Differenzen beauftragt Prokosch den jungen Javal, das Drehbuch umzuschreiben.

Javal, zunächst nicht gewillt, den Auftrag anzunehmen, wird von Prokosch gnadenlos überstimmt. Javal nimmt an, doch scheint der Auftrag und die Aussicht auf eine gewisse Summe Geld ihn vollends zu lähmen. So kommt er mit seinen Änderungen nicht voran und unternimmt auch nichts, als Prokosch seiner Frau immer schamloser nachstellt ? ganz im Gegenteil, Javal scheint ihn in seinen Avancen noch zu bestärken. Camille indes fühlt sich vernachlässigt und verletzt von Paul, und schließlich, bei einem Außendreh in der Villa des Produzenten auf Capri, kommt es zum großen Bruch. Camille küßt Prokosch vor Pauls Augen, nachdem sie ihm vorher schon ihre „Verachtung“ gestanden hatte. Dabei läßt Godard zunächst im Dunklen, was der eigentliche Grund ihrer Verachtung sei. Die Parallelaktion der Dreharbeiten am Odysseus-Stoff schafft Abhilfe: während Prokosch einen Reißer in bester sex and crime-Manier aus dem antiken Mythos schaffen möchte, teilen Lang und Javal die Ansicht, der künstlerische, dramatische Wert der Handlung sei zu betonen. Die Reflexion über den Mythos bietet eine Erklärung für das Scheitern der Beziehung zwischen Camille und Paul. Wie Odysseus das Eindringen der Freier in den Palast der Penelope nicht verhinderte, läßt auch Javal die Freiungen Prokoschs bei Camille zu: das Geld hat ihn korrumpiert. Als am Ende des Films Camille und Prokosch die Insel gemeinsam verlassen und wenig später bei einem Autounfall ums Leben kommen, scheint Paul zugleich trauernd und befreit. Er verabschiedet sich von Lang, der lakonisch bemerkt, der Film müsse zu Ende gedreht werden.

Schon sieht man „Le Mépris“ wieder als Godard-Film, nicht so sehr als Bardot-Film. Doch hat er von beidem etwas, und am gerechtesten würde man ihm mit einer Stereotypisierung, die auf einen Godard-Bardot-Lang-Film abzielt. Nachdrücklich empfahl sich die spätere Diva mit dieser Rolle für anspruchsvolle Filme, in denen sie vorher kaum besetzt wurde. Für Godard mag sie nur eine der vielen ausdrucksvollen Frauengestalten gewesen sein, die in seinen Filmen glänzen durften – irgendwo zwischen Jean Seberg und Anna Karina, doch darf sie sich rühmen, in einem der wenigen seiner Filme Protagonistin gewesen zu sein, die durch eine klar strukturierte Handlung bestechen. Die eigentliche Hommage des Films in der Zeit seiner Entstehung gehört dem Regisseur von „M“ und „Metropolis“. Es ist ein langsamer Abschied von Fritz Lang, wenn er im Vorführraum Hölderlin zitiert und als einziger Mann im Film der Verachtung durch die Bardot nicht anheimzufallen droht.

Was „Le Mépris“ überdies ausmacht, ist seine Ambivalenz, sein geschicktes Spiel mit Zitaten, sein Farbenspiel, sein sich ständiges Entziehen bewährter Deutungsmuster. In diesem Sinne ist der Film nicht, wie es die vereinigte Filmkritik sieht, ein typischer Nouvelle-Vague-Film. Der Verkehrsunfall am Schluß nimmt schon eine neue Phase des Godardschen Werkes vorweg, seine intensive Beschäftigung mit Ideologien und der neuen Lust an der Zerstörung des bloß erzählenden Filmes. Was hier wie der melodramatische Ausgang einer tragischen Liebesgeschichte gelesen werden könnte, ist dort (zum Beispiel in „Weekend“ von 1967) die Ausrottung des postmodernen Menschen durch den ihm selbst auferlegten Fortschrittswahn.

Bewußt verzichtet der Regisseur in seiner Verfilmung auf die psychologisierenden Momente der Romanvorlage von Alberto Moravia: Die Verachtung entspringt keinem klaren Motiv, ist vielmehr im Sinne einer durchlebten Schopenhauer-Lektüre eine Kulmination des Mit-Leidens an sich und seinen Mitmenschen. Eine bonjour tristesse schöner (auch nackter) Körper, denen die Bardot ihr hübsches Antlitz leiht. Sie ist nicht Penelope und Paul ist nicht Odysseus, doch absurd wie deren Beziehung bleibt auch ihre Liebe zueinander und deren traumatisches Ende.

Nicht zuletzt die schwere, orchestrale Musik von Georges Delerue, die bei jedem Auftritt Camilles auf ein Neues anhebt, unterstreicht den tragischen Charakter ihrer Rolle. Jedes Bild, jede Einstellung läßt das Publikum durch ihren makellosen Körper, ihr burschikoses Lächeln einen Ausdruck von Schönheit scheinen, den ihre Worte, ihre Gesten und natürlich auch die sie begleitende Musik fortwährend konterkarieren, wenn nicht destruieren. Wenn Lang sich mit Prokoschs Assistentin über den genaueren Wortlaut einer Hölderlin-Übersetzung austauscht, klingen dem Zuschauer die Worte des Dichters im Ohr, die Auskunft über Godards Begriff des Schönen am Beispiel seiner Hauptdarstellerin geben: „und du / Ruhst und glänzest in deiner Schöne wieder, du süßes Licht!“ Das schöne, süße Licht der „Verachtung“ ist ein fragiles und bricht sich in den Trümmern eines Unfallwagens.(Roland Leithäuser)

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