Natürlich gelöstes Klangideal verkündet Friede auf Erden

Die Weihnachtsoratorium Kantaten eins bis drei mit dem Leipziger Vocalensemble und dem Barockorchester unter David Timm

„Jauchzet, frohlocket“! Für manch einen klingt dieser Aufruf vielleicht zynisch angesichts einer Zeit, in der nur noch von Krise und Depression, Konflikten und Ängsten die Rede ist. Dennoch geht von diesen Worten und dem tanzenden Dreivierteltakt, in den die übersprudelnden Töne von Johann Sebastian Bach gegossen wurden, eine ungeheure Sehnsucht und Anziehungskraft aus, die auch in diesem Jahr wieder Tausende in die Kirchen und Konzertsäle strömen lässt, um Bachs Weihnachtsoratorium zu lauschen und sich füllen zu lassen mit Klängen, die aus einer anderen Welt kommen als der unseren.

Wenn dies dann auch noch in der Thomaskirche zu Leipzig stattfindet, ist die Glückseligkeit beinahe perfekt. Davor steht allerdings noch eine so gelungene Aufführung wie diejenige vom Samstag vor dem zweiten Advent, als David Timm mit dem Leipziger Vocalensemble und dem Leipziger Barockorchester sowie namhaften Solisten die Kantaten 1 bis 3 so hervorragend gestaltete, dass kaum Wünsche offen blieben.

Beginnen wir mit dem wunderbaren Vocalensemble, das mit Leichtigkeit und Eleganz einen vollen, sehr gut ausgewogenen Chorklang vernehmen ließ. Sowohl in den Chören als auch den großartig ausgestalteten Chorälen erfreuten die Damen und Herren um David Timm, der ganz offensichtlich ausgezeichnete Arbeit geleistet hatte, mit lupenreiner Intonation und exzellenter Phrasierung. Sobald solcherlei Dinge kein Thema mehr sind, kann große Kunst beginnen. Und so tanzte und jubelte es in den Eingangschören der ersten und dritten Kantate geradezu, dass es eine Wonne war, während in „Wie soll ich dich empfangen“ oder „Ich will dich mit Fleiß bewahren“ mehr als einmal Schauer den Rücken hinunter liefen.

Alle Facetten der Weihnachtsbotschaft wurden spürbar, die „große Freude“ und „der Herzen frohlockendes Preisen“ ebenso wie der verkündete „Friede auf Erden“, der sich unabhängig von jeder politischen Lage tief im Innersten Raum verschafft.

Einen besonderen Anteil daran hatte auch Klaudia Zeiner mit ihrer schlanken, warmen Altstimme, die durch ihren beseelten Gesang jeder der so verschiedenen Arien den eigenen Charakter verlieh und die Thomaskirche mit edlem Wohlklang füllte. Monika Frimmer tat es ihr als Engel sowie in der Duett-Arie „Herr, dein Mitleid“ mit Harry van der Kamp gleich. Der renommierte Bassist erstaunte allerdings mit etwas forcierendem Zugriff, als kämpfte er mit einer Erkältung, die ihn nicht ganz frei und unbeschwert singen ließ, ihn zu Auslassungen zwang und das gelöste und völlig natürliche Klangideal vermissen ließ, das ansonsten an diesem Abend vorherrschte. Das gilt auch für das Orchester, dessen historische Instrumente sich sehr schön mit den Singstimmen verbanden und die Aufführung abrundeten. Exemplarisch mag der gedankenversunkene Dialog zwischen Altistin und Sologeige in der Arie „Schließe, mein Herze“ angeführt werden.

Dennoch darf man nicht verschweigen, dass die Instrumentalisten gegenüber den Sängern insgesamt etwas abfielen. So sehr es zu begrüßen ist, dass Bachs Musik auf Originalinstrumenten gespielt wird, muss es heutzutage auch selbstverständlich sein, dass dies in weitgehend makelloser Qualität geschieht. Wenn aber Trompeten und teilweise auch Oboen derart große Probleme haben wie in unserer Aufführung, gibt es dafür keine Entschuldigung, sondern schadet der im Übrigen tadellosen Interpretation.

Keine Offenbarung war leider die Besetzung des Evangelisten. Bachpreisträger Seung-Hee Park sang sich zwar mit schöner Stimme solide, aber emotionslos und eintönig durch die Partie und wirkte wie ein Fremdkörper in dem sonst so inspiriert agierenden Ensemble.

Nach dem abschließenden „Herrscher des Himmels“ verharrte das dankbare Publikum in der gut gefüllten Thomaskirche noch einige Momente in andächtiger Stille und zeigte damit, dass die Musik angekommen war – und mit ihr die Intention ihres Komponisten: Soli Deo Gloria.

Johann Sebastian Bach
Weihnachtsoratorium Kantaten 1-3

Monika Frimmer, Sopran
Klaudia Zeiner, Alt
Seung-Hee Park, Tenor
Harry van der Kamp, Bass

Leipziger Vokalensemble
Leipziger Barockorchester

David Timm, Leitung

Thomaskirche, 7. Dezember 2002

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