Ein betörender Blick über den flachen Rand des Repertoires

„In adventu domini“: Ein Weihnachtskonzert zugunsten der UNICEF-Hilfe für die Kinder Mocambiques mit dem ensemble amarcord

Mit Eigenlob müssen die fünf Herren des ensembles amarcord nicht geizen. Preisgekrönte CD-Einspielungen, Gewinner des Deutschen Musikwettbewerbes 2002, Meisterkurse bei den King’s Singers und dem Hilliard Ensemble. Die Liste ließe sich noch fortzusetzen. Wer mit soviel Talent und Erfolg geschlagen ist, von dem wird gemeinhin verlangt, dieses auch irgendwie der Gesellschaft zugute kommen zu lassen. Da bietet sich ein Benefizkonzert in der spendenträchtigen Weihnachtszeit geradezu an. So war die Thomaskirche mehr als anständig gefüllt, mussten nur noch die randvollen Einkaufstüten verstaut werden (wer spricht eigentlich von einer Rezession), dann konnte es losgehen.

Im Programmheft beklagten sich die Sänger darüber, wie eingefahren doch der Kanon der Weihnachtsmelodien ist, die jedes Jahr zur Aufführung gebracht werden. Nichts gegen „Stille Nacht, heilige Nacht“ und den anderen Evergreens, doch warten zu Recht noch andere Preziosen der Musikgeschichte auf ihre Entdeckung. Den Anfang machte das älteste überlieferte Weihnachtslied. Zumindest halten die Engländer A Solis Ortus Cardine dafür. Es soll bereits im 6. Jahrhundert von den Mönchen in der Abtei von Salisbury gesungen worden sein. Für ihr Auftaktstück hatten sich die fünf Herren einen netten „choreografischen“ Trick einfallen lassen. Drei von ihnen standen weit hinten im Altarraum, während die beiden anderen aus einem Seitengang in den Gesang einstimmten. Schon bei diesem Stück vermittelten sie das Gefühl, einer ganzen Riege von Dominikanermönchen zu lauschen. Kraftvoll erklommen die Töne die Höhen des Kirchenschiffs.

Auch die folgenden Stücke brauchten sich nicht zu verstecken, kurz und knackig, wie sie daherkamen. Bei dem gregorianischen Weihnachts-Gradual Viderunt Omnes sah man unweigerlich die Kulissen aus Umberto Ecos „Im Namen der Rose“ vor sich aufsteigen. Da wurde sich zu ordentlicher Höhe aufgeschwungen und dem Herrn gejauchzet. Höhepunkt des ersten Teils war aber das Stück Angelus ad Virginem aus dem 14. Jahrhundert. Der Erzengel Gabriel überbringt Maria die Nachricht der bevorstehenden Niederkunft. Hier konnten die fünf so richtig zeigen, was in ihnen steckt. Von Tenor Wolfram Lattke fast allein intoniert, packte es den Zuhörer mit einer unglaublichen Intensität. Auch wenn die etwas kalte Thomaskirche nicht das beste Ambiente bot, hiernach war das Eis gebrochen. Kurz vor der Pause erklangen dann nach einem Kompaktkurs Latein in Übers Gebirg Maria geht auch noch ein paar deutsche Töne im weiten Rund.

Auch im zweiten Teil zeigte sich das Ensemble sehr souverän und seine Meisterschaft in der Vielstimmigkeit. Nie entstand der Eindruck, hier würde nur eine Pflichtveranstaltung abgespult. Im zweiten Stück von Johann Eccard an diesem Abend schafften sie es sogar, den Eindruck zu erwecken, die Orgel würde sie begleiten. Solch ein Spektrum an Akkorden schwirrte durch den Kirchenraum. Einen Abstecher ins Spanische dann bei Riu, Riu, Chiu dem zweiten Höhepunkt des Konzerts. Beeidruckend, mit welcher Leichtigkeit es aufgeführt wurde. Am Ende viel Beifall, aber ohne Zugabe ließen die Zuhörer Leipzigs bekanntesten Exportartikel in Sachen Musik (neben Gewandhausorchester und Thomanerchor) nicht ziehen.

Für alle die, die nicht den Weg in Thomaskirche gefunden hatten: Am 10. und 11. Januar tritt das ensemble amarcord zum ersten Mal mit dem Gewandhausorchester auf. Eigentlich auch ein Pflichttermin.

„In adventu domini“ – Weihnachtskonzert zugunsten der UNICEF-Hilfe für die Kinder Mocambiques mit dem ensemble amarcord

17. Dezember 2002, Thomaskirche

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