Don\’t worry, be happy

Bobby McFerrin gibt ein Solokonzert im Großen Saal des Gewandhauses

Du bist müde, abgespannt, jagst noch den letzten Weihnachtsgeschenken hinterher und weißt eigentlich noch gar nicht recht, wie Du alles, was du Dir noch vorgenommen hast, bis Weihnachten schaffen sollst? Würdest Dir wünschen, endlich mal durchatmen zu können, Kraft zu tanken, Freude zu haben?

Dann setz Dich mit mir um 20 Uhr ins Gewandhaus. Es ist beinahe bis auf den letzten Platz gefüllt und das Stimmengewirr und die vielen Konzertbesucher, die noch nach ihrem Platz suchen müssen, spiegeln Deinen inneren Noch-Zustand wider…

Das Licht wird gedimmt und Du sinkst in deinen Sessel zurück. Schließt die Augen. Fühlst, wie alles um Dich herum allmählich zur Ruhe kommt. Genießt die Vorfreude. Jetzt sitzt Du hier, jetzt bist Du bei einem Konzert, das Dich aus dem immer gleichen Trott holt.

Wenn du die Augen geschlossen hältst, siehst du das Scheinwerferlicht nicht, das sich auf einen Mann richtet, der die Bühne in Freizeithose und T-Shirt betritt. Wenn du die Augen geschlossen hältst, wirst du ein ganz zartes „Du dü, du du dü“ hören, keine Wörter, kein unbekannter Text, auf den du dich konzentrieren mußt. Du hörst ein Schlagzeug, einen Baß, ein Saxophon, dazwischen immer wieder Lautmalereien, die von einem Sänger stammen könnten. Du öffnest die Augen und vor dir steht auf der Bühne immer noch nur ein Mensch, der all diese Töne erzeugt hat: Bobby McFerrin.

Als er das „Ave Maria“ anstimmt, hörst du, wie einige mitsummen, auf einmal summt das Gewandhaus, Bobby fordert sie, freut sich, daß der Funke übergesprungen ist und improvisiert über dem Summen des Publikums. Du gehörst eigentlich zu denen, die sich nicht trauen, zu singen? Macht nichts, denn du kannst beobachten, wie nach und nach immer mehr Menschen mitsummen, bis du versucht bist, es ihnen gleichzutun. „Somewhere over the rainbow“ kennst du schließlich auch, auch wenn’s nur der Refrain ist. Bobby kommt von der Bühne und singt mit einzelnen, egal ob Mann oder Frau, er gibt ihnen eine Melodie vor und sie singen mit, egal wie, sie haben Spaß daran, du kannst es sehen und vor allem hören; du fühlst dich wohl, merkst gar nicht, wie die Zeit vergeht. Und er holt sich Leute zum Tanzen, zum Singen, läßt immer wieder das ganze Publikum singen und seine Stimme zaubert so viele Nuancen darüber und darunter, bis er irgendwann sagt: „Okay, genug für heute“.

Und du erwachst, denn hier ist sie wieder, die Realität; einerseits ist es so verständlich, daß man nach fast anderthalb Stunden Gesang einfach genug hat und müde ist, andererseits hätte es auch noch weitergehen können. Und das erwartete „Don’t worry, be happy“ kommt nicht, braucht’s auch gar nicht, denn du bist es.

Solokonzert mit Bobby McFerrin

18. Dezember 2002, Gewandhaus Großer Saal



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