Leuchtende Beharrlichkeit

Ausstellung „Edouard Manet und die Impressionisten”, Alte Staatsgalerie Stuttgart

Zu Lebzeiten polarisierte Edouard Manet wie kaum ein zweiter Maler. Mittelpunkt von erregten Debatten, oft von den jährlichen Salonausstellungen ausgeschlossen, gilt er heute als einer der wichtigsten Erneuerer der Malerei und Wegbereiter des Impressionismus. Anlässlich der Eröffnung ihres Erweiterungsbaus zeigt die Stuttgarter Staatsgalerie jetzt Werke des Franzosen. Welchen Einfluss Manet auf seine Kollegen hatte, wird durch ebenfalls ausgestellten Werke von Monet, Renoir, Degas, Morisot, Sisley, Pissaro und Caillebotte gezeigt. Sie sind vor allem eines: Beweis für die wichtige Stellung Manets am Beginn der künstlerischen Moderne. Camille Pissaro sagte einmal: „Manet kann mehr als wir alle, er hat Licht aus Schwarz gemacht.“

Manets Schaffen lässt sich in zwei Perioden teilen. Während der 1860er Jahre sieht er sich vor allem in Auseinandersetzung mit der vorherrschenden Maltradition begriffen. Dafür stehen seine Bilder, die er bis dahin vor allem mit dunklen Farben malte. Seine Vorbilder waren zu der Zeit Velasquez, Tizian, Goya und andere. Als er beginnt, mit helleren Farbtönen zu experimentieren, wird er von seinen Zeitgenossen schon bald zum „Vater des Impressionismus“ ernannt. Unbeeindruckt von der brüsken Zurückweisung, die seine Bilder seit 1863 erfuhren, hielt Manet an seinem Weg fest. Das Jahr 1874 war eine Wendemarke und ließ Manet endlich die Anerkennung zuteil werden, die ihm so lange vorenthalten geblieben war. In Argenteuil entstehen vor allem Porträts von Monet, der hier seit 1871 lebte und malte.

Die Ausstellung beginnt mit Bildern Manets aus dem Jahr 1864, mit dem „Seestück“ und „Hafen von Calais“ und dem faszinierenden „Pferderennen in Longchamp“. In Anbetracht der Tatsache, dass die berühmten Pferdefotografien von Muybridge erst ab 1878 in Frankreich zu sehen waren, wird die Meisterschaft Manets schon hier offensichtlich. Die galoppierenden Pferde scheinen angespornt von ihren Reitern, förmlich aus dem Bilderrahmen zu springen. Die Gegenüberstellung zweier Hafenbilder von Anfang der siebziger Jahre macht den Wesensunterschied zwischen den Impressionisten und Manet deutlich. Claude Monet hat „Das Museum in Le Havre“ 1872/73 gemalt. Die vertäuten Segelboote lassen die Fassade des Musée des Beaux-Arts schwanken, die Wellen schlagen sanft gegen das Gemäuer, die Wolken ziehen am Himmel. Edouard Manets „Hafen von Bordeaux“ (1871) dagegen sucht in allen Momenten voller Betriebsamkeit und Unruhe nach dem Dauerhaften, dem Beständigen. Nicht das Flüchtige und Fließende fesseln Manet, er will darin das Gleichbleibende aufspüren und dem Betrachter präsentieren.

Die Ausstellung bereitet dem Besucher einen festlichen Augenschmaus. Bilder, die vor Farben zu bersten scheinen, die trotzdem immer ein Auge für das Detail haben. Hier wird wieder einmal deutlich, warum die Bilder des Impressionismus noch immer die höchsten Preise bei Auktionen erzielen und die Besucher in Scharen in die Museen locken. So auch bei Manets „Eisenbahn“ und Monets „Bahnhof Saint-Lazare. Die Signale“ von 1877. Das Gebilde des Bahnhofs verschwimmt bei Monet in einer Mischung aus Dampf, Dunst und Wolken. Manet dagegen liebte das Spiel mit der Dialektik, er zeigt und verhüllt, verkleidet und entblößt. Manets „Eisenbahn“ – ein zentrales Werk in seinem Schaffen – verschwindet in einer Wolke aus Rauch, sie bleibt unsichtbar, das Geschehen ist uns entzogen. Und doch ahnen wir angesichts der hingebungsvollen Neugier, mit der das Mädchen vor dem Eisengitter die Szene beobachtet, dass sich dahinter etwas Geheimnisvolles verbergen muss. Doch wir wissen nicht, was es ist.

Ausstellung: „Edouard Manet und die Impressionisten“

Alte Staatsgalerie Stuttgart, bis 9. Februar 2003

Katalog 23 Euro


Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.