Leipzig-Premiere von „19” von Kazushi Watanabe (Max Bornefeld-Ettmann)

„19“ von Kazushi Watanabe
Leipzig-Premiere am 10.01.03, die naTo

In „Fight Club“ gibt es eine Szene, in der ein Angestellter in einem Supermarkt mit einer Pistole bedroht wird. Der Angestellte bekommt unter Androhung des Todes die Aufgabe, sein Studium innerhalb der nächsten sechs Wochen derart zu intensivieren, daß absehbar ist, daß er in Zukunft nicht in einem Supermarkt arbeiten muß.Was für eine ekelhafte Schau und was für ein grandioser Gedanke! In Fight Club wird davon gesprochen, was für ein gutes Gefühl dieser Student wohl am nächsten Morgen haben wird: Sein Frühstück wird ihm besser schmecken als irgendeins zuvor.

In „19“ wird ein junger Mann in ein Auto gezerrt und findet sich als Geisel von drei fast gleichaltrigen Männern wieder. Eigentlich ist es ganz nett. Der mit einem Hemd in strahlendem Weiß gekleidete Anführer hat ein charmantes Lachen und greift nur zu unerhörter Brutalität, wenn der „Proband“ nicht mitspielen will. Ich bin dein Freund, wenn du dich mit uns treiben läßt und nicht versuchst wegzulaufen.

In körnigen Bildern nehmen wir teil an einer Fahrt ins Grüne, zur Tankstelle, wo das Personal aus dem Besuch ein kleines Fest macht, in den Supermarkt, wo nach Herzenslust der Einkaufswagen gefüllt und mit großem Selbstbewußtsein an der Kasse vorbei hinaus gelenkt wird, in ein Restaurant, in den Zoo und schließlich an den Strand, wo eine zweite Geisel genommen wird. Die beiden sollen kämpfen. Wer gewinnt, kann gehen. Usami, der Student, der schon seit Stunden den Entführern ausgesetzt ist und sich Sympathien für sie nicht ganz erwehren kann, ist nicht bereit, selber Gewalt anzuwenden. Das Spiel scheitert. Beide bleiben Geiseln.

Die Wellen branden an, der Wind pfeift und die Sonne setzt die Szene in ein grelles helles weißes Licht.

In Episoden, die chronologisch hintereinander stehen, nehmen wir an einer Art Blair Witch Project teil: eine Reise ins Unbekannte des Tages und der Charaktere. Das nennt Bert Rebhandl in der FAZ „unmotiviert“. Es ist vielleicht minimalistisch, aber sehr effektvoll. Die Kulisse wird dadurch echter. Die Szene wird dadurch echter. Tatsächlich spielt der Film vor einem wahren Hintergrund. Sowohl die Sache selbst ist ähnlich passiert vor ein paar Jahren, wie auch der Blick auf das Stadtleben authentisch, fast dokumentarisch zu sein scheint.

Von der ersten Minute des Films an hören wir den starken Klang einer Gitarre. Unfaßbar sind die Riffs. Neben ihnen hören wir oft nur noch die Stimmen und immer wieder den Wind. Starke Riffs, Fahrten ins Blaue mit einer Gruppe im Auto – richtig, es handelt sich um ein Roadmovie.

Es wird herzlich gelacht in der naTo an diesem Abend. Der Film hat viel Witz. Wer allerdings damals nicht über „Clerks“ lachen konnte, braucht sich nicht zu wundern, wenn er den Humor auch dieses Mal nicht erkennt.

Ein spannendes Projekt 19.

(Max Bornefeld-Ettmann)

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