Zukunftsvisionen mit dem „Robotic Angel” (Rebekka Jay)

„Robotic Angel“ in der Schaubühne Lindenfels, Samstag, 11. Januar 2003
Zukunftsvision von Mensch und Technik

Zu dumm für „Robotic Angel“, dass die Verwendung des Originaltitels „Metropolis“ in Deutschland untersagt wurde, um den Stummfilm-Klassiker von Fritz Lang zu schützen. Während eine Assoziation mit dem Meilenstein der Filmgeschichte die beeindruckende visuelle Gestaltung des Animes hervorhebt, lenkt der Alternativtitel eher auf die Schwäche des Streifens: die Story.

Robotic Angel ist eine Produktion der renommiertesten japanischen Animationskünstler. Das Drehbuch stammt von Katsuhiro Otomo, Regisseur des Animationsklassikers „Akira“. Rintaro, bekannt für Fernsehserien wie „Kimba, der weiße Löwe“, führte Regie. Gemeinsam adaptierten sie das in Fachkreisen legendäre Manga „Metropolis“ von Altmeister Osama Tezuka, den dieser inspiriert von Filmplakaten jenes Fritz-Lang-Films in den 40er Jahren zeichnete. Deutliche Stilistische Parallelen sind daher ebenso vorhanden wie inhaltliche Gemeinsamkeiten. In der gigantisch-futuristischen Zukunftsstadt Metropolis hat der mächtige Wirtschaftsboss Duke Red soeben einen Turm von ungeheurer Größe fertigstellen lassen: Ziggurat, der moderne Turm zu Babel. Um die Macht vollständig an sich reißen zu können, lässt er vom wahnsinnigen Wissenschaftler Dr. Laughton das perfekte Androiden-Mädchen bauen, das er zum maschinellen Kontrollzentrum der Welt bestimmt hat. Kurz vor Timas Fertigstellung jedoch jagt Duke Reds eifersüchtiger Ziehsohn Rock das unterirdische Labor samt Dr. Laughton in die Luft. Kenichi, Neffe des Detektivs Shunsaki Ban auf der Jagd nach Dr. Laughton, rettet Tima aus den brennenden Trümmern.

Voller Hass auf das von seinem Vater bevorzugte Wesen, jagt Rock die beiden durch die schmutzig-stinkenden Zonen unterhalb der Oberfläche von Metropolis, wo die durch Roboter überflüssig gewordenen Arbeiter dahinvegetieren und die Revolution planen. Während sich der größenwahnsinnige Red Duke der Herrschaft über die Stadt bemächtigt, kämpft die unschuldig-naive Tima mit ihrer Selbstfindung und Gefühlen zu Kenichi, zu denen ein Android eigentlich nicht fähig ist. Was sie nicht weiß, ist, dass sie die Fähigkeit besitzt, ihre Kräfte zu einem universalen Vernichtungswerk zu bündeln.

Mit Fritz Langs „Metropolis“ teilt Rintaros Werk die atemberaubende Optik, die traditionellen Anime-Stil mit modernster Computeranimation vereint. Die berauschend komplexe Bilderwelt der gigantomanischen Zukunftsmetropole ist vergleichbar mit urbanen Zukunftsvisionen wie in „Blade Runner“ oder „Das Fünfte Element“. Überbordende Farborgien, rasante Pespektivwechsel, Szenen, wie die hektische Löschaktion wuselnder Roboter zum treibenden Rhythmus der Musik, und brillante Bilder, wie das überdimensionale Büroaquarium samt prächtig-schillerndem Inhalt, machen das Anime zu einem Erlebnis. Und sie lenken den staunenden Zuschauer – zum Glück, möchte man sagen – von banaler Handlung und schwachen Figuren ab. Die Charakter-Etablierung ist unausgegoren oder gar nicht vorhanden. Die Dialoge: ein Spektrum von blöd bis an Peinlichkeit grenzend pathetisch. Auch der innere Konflikt Timas, die vielzitierte Identitätssuche eines Roboter-Menschen, wird nur oberflächlich dargestellt und bleibt im Ansatz stecken. Schade, denn Filme wie Steven Spielbergs „A.I.“ zeigen, dass es auch anders geht.

Überraschender Weise untermalt beschwingte Dixiland-Musik als eine Art Kontrapunkt das futuristische Szenario. Zu den mächtigen Bildern des zusammenstürzenden Ziggurat erklingt der Song „I Can’t Stop Loving you“ von Ray Charles. Bizarr und eine intelligente satirische Note zum Schluss des oftmals langatmigen Spektakels.

Nun gut. Wahrscheinlich muss man ein eingefleischter Manga- und Animationsfan sein, um „Robotic Angel“ trotz erheblicher dramaturgischer Schwächen großartig zu finden. Die visuelle Kraft des Animes in allen Ehren, für eine Filmliebhaberin im Allgemeinen ist er einfach nur Mittelmaß.(Rebekka Jay)

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