Ein Film über den Leipziger Osten: Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften (Diana Kluge)

Regie: Bernhard Wutka
Kamera/Schnitt: Thomas Doberitzsch
Genre: Dokfilm
Länge: 80 min (Dtl. 2002)
naTo: 18.01.2003
Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften

Der Leipziger Osten gilt für viele als Lebensort der sozial Schwächeren und Gestrauchelten. Bernhard Wutka begibt sich mit seinem Dokfilm, zunächst als Auftragsarbeit der Stadt Leipzig zum Projekt „Soziale Stadt“ geplant, in diese Gegend. Seine Protagonisten sind bunt zusammengewürfelt. Da ist Werner Seifert, ein älterer, weißhaariger Mann mit Zahnlücke und ohne festen Wohnplatz, der Schrott sammelt und sich so über Wasser hält oder Rolf Müller, ein Reisebüroleiter mit ausgeprägtem Geschäftssinn und unerschütterlichem Selbstbewusstsein. Es gibt Streetworker, die in alten Abrisshäusern Junkies betreuen und dabei gleichzeitig in den Räumen Spuren vergangener Bewohner finden. Darüber hinaus trifft Wutka auf eine indische Sikh-Gemeinschaft und ihren Tempel mitten in der Wurzener Straße. Er spricht mit Palästinensern, aber auch mit einem Skinhead. Durch das Auge der Kamera entpuppt sich der Leipziger Osten als ein pulsierender, multikultureller Ort, dessen Bewohner sich arrangiert haben und zum Teil vehement gegen den schlechten Ruf ihres Viertels ankämpfen.

Es hätte ein großartiger Dokfilm werden können, aber Wutka lässt vieles vermissen, vor allem aber die Geduld und Zeit, sich wirklich auf seine Protagonisten einzulassen. Der Film lebt von den Figuren wie Werner Seiffert und seinen anrührend, hilflosen und komischen Bemühungen vor der Kamera, von seinem Leben zu erzählen: „Der Schrott ist meine Frau“. Oder von Rolf Müller, der Reisen verkauft und sich Stück für Stück mit seinem Bemerkungen selbst montiert. Herrlich die Szene, als ein Kunde seine Reise bezahlen will und Müller den Überblick verliert.

Diese kurzen, meist komischen Momentaufnahmen sind die kleinen Höhepunkte des Films. Doch sie reichen nicht aus und so entsteht mitunter Langeweile. Dem Film fehlt eine klare Erzählstruktur. Wutka wollte die Kontraste des Viertels zeigen, doch verliert er sich in seinen Bildern und bei zu vielen Protagonisten. Es werden Szenen zusammengeschnitten, die wirkliche Tiefe vermissen lassen. Gerade die arabischen und indischen Bewohner kommen hier zu kurz. Es reicht eben nicht, eine Bauchtänzerin bei ihren Bewegungen zu filmen, arabischen Klängen zu lauschen oder einer indischen Familie beim Beten zuzusehen. Wutka bleibt an der Oberfläche seiner Figuren, verpasst es, sich Lebensgeschichten zu nähern, die mit diesem Viertel verwoben sind.

Wirklich ärgerlich werden dann Szenen, die nach reiner Inszenierung aussehen. So filmt Wutka einen Diplomstudenten in seinem Garten, wie er in eine Wanne steigt, das Grammophon anwirft und mit einem Glas Sekt auf den Leipziger Osten anstößt. Fast reportagehafte Züge haben die Stellen, bei denen sich Einzelhändler des Viertels versammeln und über ihre Lage diskutieren oder Prof. Eberhard vom „Leipziger Hof“ über seine Zukunftsideen für den Leipziger Osten redet. Auch die Bildsprache des Filmes enthält keine Überraschungen. Sie ist einfach und wiederholt bekannte Motive von bevölkerten Straßen und Häuserfassaden, die manchmal das Gefühl aufkommen lassen, man sehe ein Touristik Video.

Der Film passt zu seinem Regisseur, der am Abend der Vorführung anwesend ist und in lockerer, meist lakonischer Art und Weise die Fragen beantwortet. Er schwärmt von den Wasserpfeifen seiner arabischen Protagonisten, vom Leipziger Osten, den Bewohnern und ihrem Selbstbewusstsein, fügt aber gleichzeitig hinzu, dass es solche Viertel auch in anderen deutschen Großstädten gibt. Dieser Austauschbarkeit hätte er mit einem klar strukturierten und tiefgründigen Film entgegen wirken können. (Diana Kluge)

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