Preismusik

Andreas Kersting: „La Paz“ ist das preisgekrönte Werk im Preisträgerkonzert des MDR Kompositionswettbewerbes 2002

In der „Sende(r)musik“, der neuen Reihe für zeitgenössische Musik des MDR, eröffneten nicht zufällig Werke von Wilfried Krätschmar und Frédéric Durieux den Abend. Andreas Kersting, diesjähriger Preisträger des MDR-Kompositionswettbewerbs, studierte u. a. bei Krätzschmar in Dresden und bei Durieux in Paris. Im Zentrum des Abends stand die Uraufführung von Andreas Kerstings Chorwerk „La Paz“, preisgekrönt von der MDR-Jury, der neben MDR-Chordirektor Howard Arman und Orchesterchef Fabio Luisi auch Krzysztof Penderecki angehörte. „La Paz“, konzipiert für 34 Solostimmen, brachte den Chor zwar sichtlich an den Rand des Machbaren, wie die 34 Stimmgabeln im Dauerbetrieb demonstrierten, doch gelang es dem Chor unter Arman, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Kerstings Konzept ist ebenso verführerisch wie altmodisch: Impressionen aus der bolivianischen Hauptstadt, an Indianerlieder angelehnte Themen, Klangfarbenkomposition, fast perkussive Geräuschschichtungen, Bravourpassagen für Solosopran und ein Fortissimo-Höhepunkt in reinem Moll. Dazu kommt der Verzicht auf die Sprache: Kersting bedient sich eines erfundenen Idioms, das den Klang bolivianischer Indianersprachen imitieren soll. Das Ergebnis muss dem durchschnittlichen Hardcoreavantgardisten wie ein Schlag ins Gesicht anmuten, ist es doch eine bestechend ?schöne? Komposition, die die Beschäftigung mit der Chormusik der letzten dreißig Jahre deutlich verrät. Kersting gelingt es, auf dem Instrument „Chor“, das er souverän beherrscht, verblüffende, dabei nie groteske Klangwirkungen zu erzielen.

Die zweite Uraufführung: Michael Obsts „Images“ für Violine solo. Obst, Mitbegründer des Ensemble Modern, bietet freilich keine „Debussysmen“, sondern beruft sich explizit auf eine Technik der Malerei. Jackson Pollocks action painting, in acht knappen Sätzen auf die Violinsaiten übertragen. Das Resultat ist ein virtuos-gestisches action playing. Obst strebt hier eine Art doppelte Täuschung an – die quasi-elektronische Klangwelten auf einem klassischen Instrument und die Simulation der „aleatorischen“, spontanen Methode Pollocks mittels genauem Notat. Das geht natürlich nicht ohne Krach, Flageolettkaskaden, Tritonus-Seligkeit und die virtuose Ausreizung der technischen Möglichkeiten vonstatten.

Zwei spannende Uraufführungen in einer Reihe, die zeigen sollte, dass das vermeintliche Schreckgespenst „zeitgeössische Musik“ ein buntgemischtes Publikum nicht nur anziehen, sondern auch entzücken kann.

Reihe Sende(r)musik „Preismusik“
Preisträgerkonzert des MDR Kompositionswettbewerbes 2002

Mitglieder von MDR SINFONIEORCHESTER und MDR RUNDFUNKCHOR
Chorleitung: Howard Arman
Moderation: Thomas Christoph Heyde
Andreas Kersting: La Paz

sowie Werke von:
Wilfried Krätzschmar, Frédéric Durieux, Michael Obst und Siegfried Thiele

28.01.2003 MDR-Studio am Augustusplatz

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