Wie weit ist der Schritt vom Söldner zum Terroristen? „Bekenntnisse eines Mörders” bei DOK ZWISCHENDURCH (Max Bornefeld-Ettmann)

DOK ZWISCHENDURCH – retrospektiv
Der lachende Mann
Bekenntnisse eines Mörders
Ein Film von Walter Heynowski, Gerhard Scheumann, Peter Hellmich
(Studio H&S, DDR 1965)
In Zusammenarbeit mit dem
Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig (KMW)
29.01.03 im CineStar
Von Siegfried Müller zu „Kongo-Müller“: Der Mann, der lacht.

Camouflage-Uniform, Dienstgradabzeichen mit einem Stern und einem Schwert, Koppel und an der linken Brustseite das Eiserne Kreuz. Der „Herr Major“ gestikuliert nicht, seine Hände sind ruhig und führen gelegentlich das Glas oder die Zigarette an den Mund. Der Blick ist aufrichtig, die Augen sind wach und lachen. Die sympathische Ausstrahlung und Gegenwärtigkeit des „Majors“, das Selbstbewußtsein, der freundliche Umgangston, die Bereitschaft zu Antworten – man hat es fast mit einer Reinkarnation von Erwin Rommel zu tun. Oder mit einem Menschentyp, der heute nicht mehr zu finden ist: Der preußische Offizier. Aber dieser Mann ist kein Offizier, im ursprünglichen Sinne des Wortes, das wird im Laufe des Filmes deutlich. Dieser Mann ist ein Söldner. Er sagt Freiwilliger. Oder Landsknecht.

Siegfried Müller aus Neu-Isenburg, alias „Kongo-Müller“ (einem Mythos gleich kommt dieser Name) oder „Kongo-Siegfried“ (BILD) berichtet ruhig von seinen Feldzügen, detail- und kenntnisreich. Aber es ist nicht Günter Gaus, der fragt, auch wenn der schwarze Hintergrund und die präzisen Fragen diesen Eindruck zulassen. Es ist Gerhard Scheumann, der am Beispiel von Siegfried Müller das ganze Imperialistische System untersucht. Im Kampf gegen den westlichen Imperialismus sind alle Mittel erlaubt. Auf dem Beistelltisch steht eine Flasche Pernod. Pernod ist das Lieblingsgetränk von Siegfried Müller. Dem Austausch ist eine gute Atmosphäre dienlich. Die Befragung unter dem Einfluß von Alkohol aber entspricht nicht unseren „ethischen“ (Rüdiger Steinmetz) Vorstellungen. Im Laufe des Films stellen wir fest, daß es kein Saft war, den der Interviewte zu sich genommen hat, sondern eine stattliche Menge Alkohol. Er gestikuliert, antwortet widersprüchlich zu seinen vorherigen Aussagen, z. B. was Ideologie angeht. Mal spielt Ideologie eine Rolle im Kampf, mal nicht. Der Grad der Betrunkenheit nimmt soweit zu, daß Siegfried Müller nicht nur lallt, sondern auch ausspricht, was er anfangs ausgespart hat: den Mord an Zivilisten. [„Mord an Zivilisten ist immer Terrorismus.“ (Andrew Denison)] Erst hatte er noch behauptet, er hätte seinen Feldzug im Kongo ohne Blutvergießen erfolgreich unternommen. Eingespielte Tonbandaufnahmen und Photos sprechen eine andere Sprache. Im Laufe des Interviews nimmt die Betrunkenheit soweit zu, daß Siegfried Müller ausspricht: „Wir haben für Europa gekämpft im Kongo, für die europä… für die Idee des Westens, und zwar, um es ganz genau zu sagen: für liberté, fraternité, und so weiter, sie kennen diese Sprüche…“

Nach dem Film fragt Prof. Dr. Rüdiger Steinmetz vom KMW nach der Aktualität des Films. Wer in den letzten Jahren die Namen Executive Outcomes, Sandline, DynCorp, Military Professional Resources Incorporated (MPRI) und Defence Systems Limited (DSL) gehört hat, mag antworten, daß der Einblick in die Psyche eines Söldners von hoher Aktualität ist. Zudem: wie weit ist der Schritt vom Söldner zum Terroristen?

(Max Bornefeld-Ettmann)www.ddr-fernsehen.de/1programmentwicklung
www.dokfestival-leipzig.de

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