Empfindungen im Barock

Europäische Frauenbilder im Konzert mit Bach-Preisträgern im Bach-Archiv

Es ist immer wieder eine Freude, Konzerte im Sommersaal des Bach-Archivs zu erleben. Am heutigen Abend spielten die Bach-Preisträgerinnen Sonja Starke (Violine) und Cornelia Osterwald (Cembalo) Werke von Bach, Leclair, Veracini und Armand Louis Couperin.

Zunächst stand Bachs Partita h-Moll, BWV 1002 für Solo-Violine auf dem Programm. Sonja Starke spielte sauber, artikulierte klar und phrasierte jeden Abschnitt durch ganz leichte, agogische Verzögerungen. Mit wenig Vibrato kam sie der historischen Aufführungspraxis entgegen. Hier wirkte alles perfekt, nichts schien überladen. Es war eine feine Musik, fein interpretiert und es war eben, im besten Sinne, „typisch Bach“.

Mit Jean-Marie Leclairs Sonate Nr. 4, A-Dur op. 9, für Violine und Cembalo, kam etwas mehr verspielte Lebendigkeit in den Saal. Die virtuos gespielte Sonate wirkte wie ein Gesang oder ein Gespräch – ein Gesang, der eine lieblich-affektierte Großbürgerlichkeit erahnen ließ. Die schmalen, kunstvoll barock verzierten Melodien, die so manches Mal wie eine manierierte Rede wirkten, paßten wunderbar in den Sommersaal. Man konnte sich ohne weiteres eine barocke, feine Gesellschaft zu der musikalischen Atmosphäre erdichten.

Am meisten reagierten die Zuhörer aber auf Armand Louis Couperins „Les quatres nations“, einer Sammlung von Cembalo-Kompositionen. Couperin charakterisierte mit den Werken Frauen aus vier Nationen: L’Italienne, L’Angloise, L’Allemande, la Francoise. Cornelia Osterwald machte einige herrliche Charakterzüge schmackhaft. Hier eine Interpretation des Gehörten:

Die Italienierin ist zunächst anmutig, zierlich. Sie schmückt sich gerne, das zeigen die Verzierungen in den Klängen. Doch sie ist auch sehr temperamentvoll. Ihre Stimmung schwankt (Synkopen, verminderte Akkorde, dann wieder Dur-Klänge), sie kann also sehr leidenschaftlich sein. Aber wehe, man trifft sie auf dem falschen Fuß! Sie hat nämlich einen großen Stolz und verteidigt sich vehement. Dann kann sie sehr dominierend-autoritär sein (rasante Läufe, „gedonnerte“ Akkorde), und man hat das Gefühl, sie schimpft mit Genuß und Inbrunst! Da möchte man sich doch schnell entschuldigen und sich leise zurückziehen.

Ganz anders die Engländerin. Couperin muß sie wohl für sehr angenehm, vornehm gehalten haben. Ein anmutiges, liebevolles Thema erklingt, das wie eine leichte Unterhaltung beim „five-o’clock-tea“ wirkt. Schön sanglich, einfach gehalten, korrekt und nett. Doch bei dem Thema bleibt es dann auch, es wird zwar hier und da auf eine andere Tonstufe verlegt, das ein oder andere Mal wird es umgekehrt. Was sagt uns das, besonders nach der verklungenen Italienierin? Couperin empfand die Engländerinnen wohl als sehr höflich und liebenswert, aber vielleicht auch als ein bißchen langweilig, oder?

Nun kam die Deutsche dran. Diese hüpfte zuerst fröhlich und eitel in der Natur herum, das konnte man vielleicht mit den punktierten Rhythmen und Jagdlieder-Klängen verbinden. Doch wenn sie ihre kindliche Position verlassen muß, sieht alles ganz anders aus: Als sie den Abhang hinunterjagt (gebrochene abwärts-stürmende Akkorde) ist das fröhliche, süße Mädchen im Dirndl vergessen! Übertrieben beleidigt, belehrend und rechthaberisch erklingen die repetierten, harten Akkordwiederholungen in der Tiefe! Was mag Couperin zu solchen Klängen wohl verleitet haben?

Die Französin charakterisiert Couperin als verspielt, lieblich und charmant. Hier ist jede Annäherung ein Genuß, die Französin scheint willig zu sein, doch andererseits auch immer zurückhaltend, es kommt hier nie zum Eklat! Nur süße Capriolen sind von ihr zu erwarten, mehr wohl nicht.

Nach der Pause wurde das Programm wieder etwas „konventioneller“. Mit der Sonate Nr. 1 g-Moll für Violine und Cembalo von Francesco Maria Veracini erlebte man wieder die höfische Musik des Barock, die Sätze lauteten Overture, Aria, Paesana, Minute und Giga. Die Professionalität der beiden Interpretinnen erfreuten angenehm und brachten die Musik dem Zuhörer nahe. Auch J. S. Bachs Sonate Nr. 4 c-Moll BWV 1017 führte zurück zur besinnlichen, Bachschen Musik. Gefühlvoll und anmutig interpretiert rundete diese Komposition den Abend sehr schön ab.

Bach-Preisträger im Bach-Archiv

Sonja Starke, Violine
Cornelia Osterwald, Cembalo

Mittwoch, 5. Februar 2003, Historischer Sommersaal

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