Ich liebe Rebekka Bakken

Die norwegische Jazzmusikerin Rebekka Bakken singt sich in der Moritzbastei die Kehle aus dem Leib

Ich liebe Rebekka Bakken. Und sie liebt mich. Zumindest hat sie mich mit ihren strahlenden Augen angesehen an diesem Freitag in der Veranstaltungstonne der Leipziger Moritzbastei. Dabei riss sich die Norwegerin die Stimme aus dem Leib, um sie mit Händen zu kneten und mir schließlich um die Ohren zu hauen. Sie knödelte und röhrte, zwitscherte und schmeichelte, dass mir ganz heiß wurde dabei – sexy!

Noch bevor Bakken die Bühne betritt, erzählt Julia Hülsmann von der „Geburt“ des deutsch-norwegischen Projektes: Sie habe Rebekka in einem New Yorker Club für die singende Freundin des Gitarristen gehalten und schäme sich heute für diesen Gedanken. Denn schon nach zwei Minuten sei klar gewesen, dass sie etwas für Rebekka schreiben müsse. Das war vor drei Jahren. Und da sie zwar Musik aber keine Texte verfassen könne, hätte sie schließlich die Gedichte E. E. Cummings als würdiges Libretto benutzt. Nun ist das Kind, das Projekt, flügge und liegt auf CD* vor. Nach überschwenglichen Besprechungen in „Deutschlandradio Berlin“, „Der Spiegel“ und „Rolling Stone“ schien das Publikum bereits zu wissen, was es erwartet. Auch bei mir läuft die CD seit Wochen in der „heavy rotation“.

Mit dem Julia-Hülsmann-Trio standen Heinrich Köbberling am Schlagzeug und Marc Muellbauer am Bass auf der Bühne. Zwei Männer zum Liebhaben. Vor allem der Heinrich hatte es dem Leipziger Publikum offenbar angetan – mit seinem unglaublichen Spiel und seiner offenen Art. Und selten habe ich einen so lebendigen, singenden Bass gehört, wie ihn der Marc spielt. Ein Glück, dass Hülsmann ihren Musikern vertraut, nicht selten dem Bass die melodische Führung überlässt. Als Beispiel habe ich den instrumental gespielten Sting-Titel „A Thousand Years“ im Ohr, mit dem das Hülsmann-Trio eröffnete.

An Selbstbewusstsein mangelt es der Pianistin deswegen nicht. Sehr charmant weiß Hülsmann zu vermitteln, wessen Feder die meiste Musik des Abends entsprungen ist. Und die Soli könnte Keith Jarrett auch nicht schöner spielen. Erstaunlich auch, was Hülmann ihrem uralten und recht angenagten Fender-Rhodes-E-Piano entlockt. Wenn ihr bitte mal jemand eine alte Hammond B3 schenken könnte?

Als Bonbons zwischendurch gab es zwei Randy-Newman-Songs. Darunter das gut 25 Jahre alte „Baltimore“, das für Hülsmann, nicht so sehr für Bakken geschrieben scheint.

Vielleicht war das Konzert auch so gut, weil die Last der Premiere vom Tag zuvor in Berlin abgefallen war. Tatsächlich waren die Musiker lässig, entspannt, aufmerksam ihren Mitspielern und dem Publikum gegenüber.

Es rappte, rockte, swingte – und jazzte natürlich. Wer Bakkens eher verschwiemelte Platten mit dem österreichischen Gitarristen Muthspiel kennt, weiß, dass ihre Rakete erst mit dem Cummings-Projekt richtig startet, mit Julia Hülsmann als Zünder! Kiss you!

21.02.2003 Moritzbastei

„Scattering Poems“, ACT Music

ww.actmusic.com

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.