Britische Autorentage am Schauspiel Leipzig (Johanna Gross)

Made in Britain
Britische Autorentage am Schauspiel Leipzig
7.-9. März 2003

In Kooperation mit dem Traverse Theatre Edinburgh und dem British Council veranstaltete das Schauspiel Leipzig Britische Theatertage, in deren Rahmen nicht nur die derzeit laufenden Inszenierungen britischer Autoren am Schauspiel Leipzig: Alan Ayckbourns ?Haus & Garten?, Gregory Burkes ?Gagarin Way?, Martin Crimps ?Auf dem Land? und ?Quizoola!? von Tim Etchells, sondern ebenso das Gastspiel ?Iron? von Rona Munro und die Lesung ?Among Unbroken Hearts? von Henry Adams mit Schauspielern des Traverse Theatre Edinburgh gezeigt worden.


Fassadenlose Desillusion
British Is In

O life! Thou art a galling load,
Along a rough, a weary road,
To wretches such as I!
Robert Burns, Despondency

Die Lethargie der gegenwärtigen Junggeneration offenbart sich in einer Vielzahl unverstandener Gelegenheiten. Soziale Identitätsverluste sowie resignierte Zukunftsbetrachtungen sind Folgeerscheinungen und gewiss nicht nur auf die britischen Inseln anwendbar. Allerdings wurden sie dort in den letzten Jahren am authentischsten auf die Bühne gebracht. Der unverhohlene Blick hinter die Glanzfassade der Gesellschaft sorgte auf dem Kontinent, ausdrücklich im deutschsprachigen Raum, für erhebliches Aufsehen. Denn die junge britische Dramatik beschäftigt sich lakonisch dort mit der Gesellschaft, wo sie ihrer Visionen und Träume beraubt worden ist. Zurück bleibt die schonungslose Szenerie einer von Verunsicherung und Resignation gezeichneten Menschheit. Indessen geschieht dies nie ohne das typische Quantum von britischer Selbstironie, die in ihrer spöttelnden Wärme und der Suche nach menschlicher Nähe tief das Herz berührt. Jener Konsens von purer, desillusionierter Wirklichkeit und kuriosem Eigenwitz vermag gewiss den weltweit anhaltenden Erfolgskurs der britischen Jungautoren zu begründen.

Womit aber ist das Phänomen der Theaterwunderkinder aus Großbritannien erklärbar, die geradezu über Nacht zu Ruhm und Ehre gelangt zu sein scheinen? Die wirksamste Anregung, sich aktiv um den Nachwuchs der britischen Gegenwartsdramatik zu bemühen, klingt denkbar schlicht: Sogenannte Scouts suchen typische Aufenthaltsplätze der Jugend wie Schulen und Pubs auf, animieren zum Texte schreiben und vermitteln die Talente an eine der ?Autorenschulen? des Londoner Royal Court Theatre oder das Traverse Theatre in Edinburgh. Doch auch die zahlreichen, direkt an die Theater eingesendeten Skripte (um die 500 im Jahr) werden bearbeitet. Wirkt ein neues Stück erfolgsversprechend, kann es in direkter Zusammenarbeit mit dem Autor in vier bis fünf Wochen auf der Bühne umgesetzt werden.

Dieses Konzept der britischen Newcomersuche scheint aufzugehen, denn das Ergebnis ist vielversprechend und fängt nicht bloß die gängigen Theaterinteressierten ein. Der für die Britischen Autorentage nach Leipzig eingeladene Gregory Burke etwa, dessen Debütwerk Gagarin Way an etlichen Bühnen Europas gleichzeitig uraufgeführt wird und wofür er mit dem Meyer-Whitworth Preis als das beste Stück 2002 ausgezeichnet wurde, kokettierte auf der, während der Leipziger Britischen Tage stattgefunden Podiumsdiskussion gelassen mit seiner lediglich medialen Inspiration und dem Umstand, vor der ersten Probe seines Stückes das erste Mal ein Theaterhaus betreten zu haben.

Ein anderes Argument ist die Resonanz der Presse und des Publikums in Großbritannien an neuen Stücken. Denn das Interesse an Uraufführungen ist um vieles größer als das an Neuinszenierungen berühmter Klassiker. Unterstützt durch die breite öffentliche Rezeption konnten professionelle Bühnen, wie das 1963 gegründete Traverse Theatre in Edinburgh, die ausschließlich zeitgenössische Werke im Repertoire führen, zu jener Popularität gelangen, die sie jetzt weltweit auszeichnet.

Zum außerordentlich gut besuchten Gastspiel in Leipzig reisten die Schauspieler des Traverse Theatre Edinburgh mit dem hervorragend in Szene gesetzten Bühnenwerk Iron von Rona Munro an. Das erfolgreiche neue Stück der in Deutschland mit den Drehbüchern zu Max Färberböcks Aimée und Jaguar sowie Ken Loachs Ladybird, Ladybird längst bekannt gewordene schottische Autorin ging einher mit der Lesung von Henry Adams Among Unbroken Hearts.

Der zurückhaltend erscheinende junge Schotte, der sich mit ?Landsmann? Gregory Burke die renommierte Auszeichnung des Meyer-Whitworth Preises 2002 teilt, schuf mit seinem in nordschottischem Akzent geschriebenem Debütwerk ein Drama von beklemmender Realität, worin der goldene Schuss konsequenter erscheint als das ernüchternde Fortleben in einer trostlosen Welt. Dies gelang Henry Adams mit einer ergreifenden, nahezu poetischen Tiefe, die durch die darstellerisch berührenden Glanzleistungen der an der Lesung beteiligten Traverse Schauspieler noch herausgestellt wurde.

Es ist der britischen Gegenwartsdramatik sehr zu wünschen, weiterhin ihre wegweisenden Werke mit solch subtiler Intensität aufgeführt zu wissen, wie dies bei den britischen Theatertagen der Fall war, und mit dem sicherlich abermals begeisternden Ergebnis bald wieder nach Leipzig zu kommen!

(Johanna Gross)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.